Neues Spiel - neues Glück?
Meine 2. große Glocknerrunde
2015 war ich schon da, bei der 1. Austragung, da haderten alle mit dem Wetter und ich zusätzlich mit meinem Magen. Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, es besser zu machen, zumindest störungsfrei über die Strecke zu kommen... am Wetter kann ich ja nichts ändern.
"Im Vergleich zu 2015 hat sich bei uns auch einiges getan, u.a. geänderte Startzeit und etwas entschärfte aber sehr, sehr schöne Strecke, hart bleibt es dennoch ;-) ! hatte mir Rennchef Hubert im Vorwege geschrieben und so reisen wir donnerstags gespannt wieder in unsere kleine gemütliche FeWo nach Piesendorf, froh der Gluthitze des Stuttgarter Kessels entkommen und noch vor der großen Reisewelle des Wochenendes hier zu sein. Unsere Hauswirtin hat frisch gebacken und so sitzen wir schon Minuten nach dem Entladen unseres Autos bei Kaffee und super leckerem Kuchen auf unserem Balkon, genießen den Blick auf Kaprun und das Backwerk.
Während Tine und Tina, meine beiden Begleiterinnen, freitags zu ihrer 1. Bergtour starten, lege ich gemütlich meine Beine hoch, genieße die Kühle innerhalb der dicken Mauern unserer Unterkunft und sortiere meine Ausrüstung fürs Rennen auf drei Haufen:
- Outfit fürs Rennen
- Alles für den Rucksack
- Alles fürs Dropbag in Kals
Nach einem Schläfchen und der Rückkehr meiner Bergfeen machen wir uns dann auf nach Kaprun, Startunterlagen abholen. Und ich möchte bei der kleinen Pressekonferenz dabei sein, immerhin sind dafür alle Spitzenläufer geladen, die bekomme ich während des Rennens ja nie zu sehen.
Rund 1.500 Teilnehmer starten auf den vier verschiedenen Strecken, damit ist der GGUT die wichtigste Sportveranstaltung im Raum Zell am See-Kaprun, noch vor dem Ironman 70.3. Und die Liste der Spitzenläufer, die sich den GGUT nicht entgehen lassen wollen, ist groß. Neben regionalen Größen wie Thomas Farbmacher, er wird den Streckenrekord auf der Ultradistanz von 110 km pulverisieren, sind auch der Spanier Capell Pau Gil (ITRA-Nr. 1 der XL-Trails) im Teamwettbewerb oder der symphatische Florian Reichert, Seriensieger der Brocken-Challenge und Mitglied der dt. Nationalmannschaft, über 50 km am Start. Und das sind nur ein paar wenige Namen.
Das Trail-Weekend des Jahres zur Mondfinsternis
Während wir in Kaprun an der Startlinie stehen, warten die Läufer in Bozen-Südtirol auf den Start des Skyrace auf der Hufeisenrunde und in Ruhpolding-Deutschland auf den Start des Chiemgauer 100. In der Schweiz startet der Irontrail, es ist also was geboten dieses Wochenende. Zudem soll pünktlich zum Start um 22:00 Uhr eine vollständige Mondfinsternis das Interesse gen Himmel lenken. Jeder erhofft, einen Blick auf den Mond erhaschen zu können, auch wenn unsere Konzentration natürlich mehr auf den Boden gerichtet sein wird, wo Steine und Wurzeln auf den Wegen uns volle Aufmerksamkeit abverlangen werden.
Doch zunächst sieht es ganz anders aus in Kaprun. Während wir bei Sonnenschein auf unserem Balkon zu Abend essen, beobachen wir, wie Kaprun nur wenig Kilometer entfernt hinter einer Regenwand verschwindet und im Unwetter versinkt. Ein paar Donnerschläge sind zu hören, doch rechtzeitig vor dem Start verzieht sich das Gewitter, wir haben noch einmal Glück gehabt.
Die neue Strecke!
Die erste Änderung macht sich schon beim Start bemerkbar; statt um 18 Uhr wird jetzt um 22:00 Uhr gestartet und das mit Folgen. Passierten wir bei der 1. Austragung das Glocknerhaus mitten in der Nacht, ermöglicht die vier Stunden spätere Startzeit den Blick auf Glockner und Pasterze in der Morgendämmerung oder Sonnenaufgang.
Ebenfalls Spaß macht die Überquerung des 2247 m hohen Greibühels, der mit seiner grasbewachsenen Kuppe einen tollen Kontrast zu den sonst schroffen Bergspitzen abgibt.
Ob die finale Querung des Kapruner Törls als letzter Anstieg noch wirklich Spaß bereiten kann, wage ich hingegen zu bezweifeln. Schon der Abstieg von der Rudolfshütte ist nicht einfach, doch der Aufstieg zum Törl, der uns Höhe des Oberen Rifflkarkees (Gletscher) bringt, fordert noch einmal die letzten Reserven und mentale Stärke. Brutal der Abstieg, zunächst über Fels, dann im Schnee, erst der Weg entlang des Mooserboden Stausees bringt ein wenig Entspannung.
Insofern hat die Runde an Qualität dazu gewonnen, auch wenn sie wohl ein paar Höhenmeter verloren hat. Schwer genug scheint sie allemal, denn nur rund 45 % der Starter werden auch das Ziel erreichen, 147 Männer und 14 Frauen, rnd 200 Starter bleiben irgendwo an den Verpflegungspunkten auf der Strecke.
2663 - 2828 - 2247
Kurz vor dem Start hat sich das Wetter beruhigt. Ein kurzes Rennbriefing verspricht uns bis zum kommenden Abend trockene, tagsüber heiße Bedingungen, erst gegen Abend soll es regnen, wie stark lässt sich allerdings nicht vorhersagen. Ausgeleuchtet vom Schein hunderter Stirnlampen werden wir pünktlich ins Rennen geschickt. Ich habe mich bewusst weiter hinten eingereiht, bereue dies aber schon bald angesichts des Staus auf der Strecke. Sobald Kaprun hinter uns liegt, wird der Weg zum Trail, überholen ist praktisch unmöglich. Aber ich wollte ja betont ruhig angehen, insofern tut es mir gut, ausgebremst zu werden. Erst der Downhill nach Fusch sortiert das Feld, ab jetzt kann ich entspannt meine Spur ziehen.
Von dort zieht sich der Weg hinauf zur Pfandlscharte immens. Zunächst läuft man auf die Wand zu, immer mit dem Gefühl, kaum näher zu kommen, in der Wand dann das gleiche Gefühl. Ich steige Kehre um Kehre, ohne der Höhe gefühlt irgendwie näher zu kommen. Tröstend allein die vielen Lichter unter mir, die mir zeigen, dass noch viele viele Läufer hinter mir liegen. Hat man die Untere Pfandlscharte erreicht, liegen mehr als 1800 Höhenmeter von Fusch aus berechnet hinter uns. Doch der Weg hinaus ist heute letztendlich grandios. Der Vollmond liegt mitten übe der Scharte zwischen Schartenkogel und Spielmann, sogar der Mars leuchtet rötlich darunter, nur schade, dass die Mondfinsternis mittlerweile vorbei ist.
Auf dem Weg zum Glocknerhaus dämmert es bereits. Beim Weiterweg fällt der Blick auf Pasterze und Glocknergipfel, der von der aufgehenden Sonne sanft um den Gipfel beschienen wird. Bald steht der Hang, den wir bergauf klettern "in Flammen". Das ist es, wofür es sich lohnt, diese Strapazen in den Bergen auf sich zu nehmen. Wir queren hinüber zur Pfortscharte, dem Dach der Runde. Wie eine Wand stellt sich die 2828 m hohe Scharte dem Läufer entgegen. Wäre da in der Entfernung nicht schon der dunkle Streifen erkennbar, an dem sich bunte Figuren entlanghangeln, ich würde die Scharte für nur schwer bezwingbar halten, so steil baut sie sich als felsdurchzogener Schutthaufen vor mir auf. Doch letztendlich komme ich leichter hinauf, als im Geröll der anderen Seite hinunter. Unbegreiflich, wie die junge Läuferin einer Gemse gleich auf direktem Weg leichtfüßig an mir vorbei huscht.
Kurz vor der Lucknerhütte gesellen sich dann Läufer des 75-km GGT zu uns. Das mittlerweile doch recht auseinandergezogene Läuferfeld verdichtet sich damit wieder zusehends. In frischer Gesellschaft überquere ich den Grasgipfel des Greibichl, um dann die ungezählten Serpentinen hinunter nach Kals zu cruisen. Etwas mehr als 60 km sind dort zurückgelegt. Obwohl schon mehr als die Hälfte der Distanz und auch der Höhenmeter zurückgelegt sind, markiert Kals für mich die Rennhälfte. Aufkommende Hitze und zunehmende Erschöpfung führen dazu, dass ab hier doch noch einmal in etwa die gleiche Zeit investiert werden muss.
2518 - 2639
Die zweite Hälfte hinter Kals beginnt an sich entspannt. Es geht ins Dorfer Tal, über den Naturlehrpfad vorbei an alten Mühlen, durch die Daberklamm, vorbei am Kalser Tauernhaus bis zum herrlichen Dorfer See; erst dort wird es wieder richtig steil. Und doch trennt sich auf den 14 km bis zum See vermutlich auch die Spreu vom Weizen. Denn es sind rund 600 Höhenmeter zu erklimmen und wer gut drauf ist, kann hier auf den leicht zu laufenden Fahrwegen richtig Tempo machen. Wer allerdings bereits "angezählt" ist, der quält sich auch über die hier moderaten Steigungen und verliert vermutlich Minute um Minute.
Hinter dem Dorfer See wird es dann wieder richtig ernst. Am Ende des Tals geht es rechts ab im brutal steilen Stich hoch zum Kalser Tauern. Ich schleiche hoch wie in Zeitlupe und bin trotzdem nicht langsamer als meine Mitstreiter, die ebenfalls zu kämpfen haben. Zunächst aber staune ich wieder. Der Blick über den Schutthang hinunter zum Weißsee, der Rudolfshütte und den umliegenden Bergen ist zwei Minuten Rast wert. Erst dann mache ich mich auf zum nächsten Verpflegungspunkt auf der Rudolfshütte.
Dort wird man schnell zum Objekt der Neugierde; zahlreiche Seilbahntouristen können die Blicke von uns Läufern nicht mehr lassen; geduldig geben die Helfer an der Wasserstelle sich ständig wiederholende Auskunft: "Ja, das ist ein Rennen... bis zu 110 km... ja, sie haben richtig verstanden... die schnellsten in 14 Std.... gestern Abend um 22:00 Uhr gestartet... in Kaprun, ja... und jetzt zurück nach Kaprun... !"
Übers Kapruner Törl
Nachdem der Übergang vom Glocknerhaus nach Kals schon auf einer neuen Strecke verlief, geht es hinter der Rudolfshütte ebenfalls verändert weiter. Hinunter zur Eisbodenlacke und dann auf dem Austriaweg hoch zum Kapruner Törl. Sowohl der Weg hinunter, als auch der wieder hinauf hats in sich. Kraxeln über große Blocksteine, balancieren, springen und immer wieder vorsichtig darauf achtend, keinen wegkippenden Felsblock zu erwischen.
Doch auch das Kapruner Törl ist irgendwann Geschichte, die letzte Höhe bezwungen. Von nun an gehts bergab; zunächst nicht ganz ungefährlich steil über Felsblöckem dann über zwei lange Schneefelder, in die bereits mächtige Spuren eingegraben sind. Doch die Kühle, die vom Schnee ausgeht und die neue Bewegung, zu der einem der Schnee zwingt, sind eine willkommene Abwechslung.
Und - Dublizität der Ereignisse meines ersten Starts hier - fängt es bei den Kapruner Hochgebirgsstauseen langsam an zu regnen und steigert sich, bis ich am Mooserboden ankomme, zu einem ordentlichen Gewitter. Aus der Erfahrung von 2015 nutze ich die Überdachung, um mich ordentlich in Regenjacke und Regenhose wasserfest anzuziehen. Was sich dann jedoch als überflüssige Entscheidung herauskristallisiert, weil aufgrund des Unwetters die Tunnels für uns geöffnet werden und wir deshalb bis zum Schrägaufzug an der Lärchwand weite Strecken im Trockenen zurücklegen können. Auch die Geschwindigkeit steigert sich auf den Fahrwegen mit dem mäßigen Gefälle wieder. (Nachdem im schmalen Tal auch der GPS-Empfang leidet, führt das dazu, dass meine beiden Begleiterinnen eine Fehlinformation bzgl. meiner geschätzten Ankunftszeit erhalten und meinen Zieleinlauf knapp verpassen werden.)
Ab dem Kesselfallhaus hört der Regen wieder auf und ich kann Fahrt aufnehmen. Entlang der Kapruner Ache kann man endlich locker zum Endspurt anziehen. Schade, dass der Zeileinlauf nicht mehr am Salzburger Platz in der Ortsmitte ist, sondern etwas außerhalb. So laufe ich beinahe einsam die letzten Kilometer durch die Randbezirek Kapruns, um dann endlich den Zeilbogen vor Augen, in die letzte Kurve einzubiegen. Ein paar Meter noch und ich habs geschafft.
Fazit
Mein Ziel war, betont locker zu starten und möglichst kräftesparend voran zu kommen. Dies habe ich auch gut beherzigt. Am Glocknerhaus fühlte ich mich immer noch frisch, auch an der Lucknerhütte, wo ich allerdings mein Essen, so wie zu mir genommen, komplett wieder hergeben musste. Trotzdem fiel mir der Downhill bis Kals noch immer leicht. Dort hatte ich HAferschleim in meinem Dropbag deponiert, dass ich auch gut vertrug. Allerdings spürte ich das Gap dann beim Aufstieg zum Kalser Tauern, was dazu führte, dass ich auch auf der Rudolfshütte kein Essen bei mir behalten wollte. Damit wurden die letzten 30 km extrem zäh. Trotzdem blieben meine Sektorenzeiten noch recht ordentlich, auch als ich kurz vor dem Kesslefallhaus, ohne irgendwas zu mir genommen zu haben, mich würgend auch noch vom letzten Mageninhalt trennen musste. Ich musste nur zusehen, immer im niedrigen GA 1 zu bleiben, dann vertrug ich auch einen längeren Laufabschnitt halbwegs locker.
Die Ursache ist mir unklar, weder war ich überlastet, um den rebellierenden Magen begründen zu können, noch sind mir wirklich ernsthafte andere Fehler meinerseits bewusst. Doch die erzwungenermaßen angezogene Handbremse hatte auch ihr Gutes. Ich hatte keine muskulären Folgeerscheinungen und konnte recht früh schon wieder ins lockere Training einsteigen. Da ich dieses Jahr hoffe, noch mein Hauptevent starten zu können, kommt mir das recht gelegen.
Ansonsten hat mir die Glocknerrunde extrem gut gefallen. Schön, dass die lange Runde nahezu die meisten Starter aufweist und damit Hauptlauf bleibt. Die Strecke ist perfekt markiert, ein GPS ist höchstens zur Sicherheit erforderlich oder bei schlechten Bedingungen.
Nachdem ich nun bei allen beiden Starts Magenprobleme und Gewitter hatte, hoffe ich, dass alle guten Dinge "Drei" sind. Ich werde also wieder kommen und dann die Runde entspannt beginnen und so auch vollenden...
Bis dahin!