Arberland Ultratrail!
Der Traumlauf!
Von Stuttgart nach Bay. Eisenstein sind es ziemlich genau 400 km, 400 km Richtung Süden und ich bin praktisch mitten in den Dolomiten. Das ist der Grund, weshalb ich seit meinem Umzug nicht mehr im Bay. Wald war. Doch jetzt habe ich es mir nicht mehr nehmen lassen, wieder vorbei zu schauen... und, was soll ich sagen?
Traumwetter, eine Traumstrecke, ein Traumrennen, Glückshormone pur...
Doch zunächst bin ich etwas desillusioniert. Ich gönne mir ein ganzes Wochenende in der Gegend und erlebe eine Ferienregion, die mich nachdenklich macht. Tagestouristen, die in Massen einfallen, aber eher selten über Nacht bleiben, die Infrastruktur erwarten und nutzen, aber zu wenige finanzielle Mittel zurücklassen, um diese dauerhaft intakt oder konkurrenzfähig halten zu können. So ist zumindest mein Eindruck. Kein Wunder, dass rund um die Veranstaltung Übernachtungspakete geschnürt werden, um den Lauf durch attraktive Angebote zu ergänzen.
Doch im Arberland-Stadion angekommen, schnuppere ich Wettkampfluft und die Stimmung steigt sprunghaft. 2022 findet an dieser Stelle die Biathlon-Europameisterschaft statt, wir werden direkt auf der Strecke starten und finishen. Ich hole meine Startunterlagen und nehme das Briefing mit, Essen mache ich mir dann jedoch in meiner kleinen Ferienwohnung. Danach richte ich meine Sachen, das Frühstück und gehe schlafen. Gegen 5 Uhr muss ich aufstehen, um rechtzeitig am Start zu sein, Scheiben vom Eis befreien mit eingerechnet. Heute morgen waren die Autoscheiben dick mit Eis überzogen. Die klaren Nächte bringen Kälte in die Täler und eine hohe Luftfeuchtigkeit
Die erste Runde über den Arber
Ein kostenloser Shuttleservice steht an der Arberbergbahn bereit, der Läufer und Betreuer zum Start bringt. Dort sind Parkplätze eher rar. Im Stadion wärme ich mich noch in einer Hütte, bevor ich kurz vor dem Start nach Draußen gehe. Ein kurzer Tunnel bringt uns zum Startkanal, der nur nach einer kurzen Kontrolle der Pflichtausrüstung betreten werden darf.
Jetzt noch kurz warten, einen Blick auf die frierenden Mitstreiter werfen und pünktlich um 7 Uhr setzt sich eine Blaskapelle in Bewegung. Kurz vor der Startlnie biegt diese ab und das Rennen ist freigegeben. Knapp 200 Läufer stürmen los. Erstmal noch recht flach umrunden wir halb den Arber, um diesen dann über seine Nordflanke angehen zu können. Knapp 4 km einlaufen, bevor es in die Vollen geht.
Ich gehe das Rennen bedächtig an. Immer noch ein wenig verunsichert, was meine Form anbelangt, will ich mein Pulver nicht schon in der ersten Rennstunde verschießen. Stattdessen nehme ich mir die Zeit und genieße den Sonnenaufgang und den Blick über die ganze Region, die sich vom höchsten Berg des Bay. Waldes aus ergiebt.
Bergab hat man diese Chance nicht mehr, der Downhill erfordert "högschde" Konzentration. Es gleicht mehr einem Hüpfen von Stein zu Stein denn einem Lauf, es dauert, bis man die Ausläufer erreicht und damit auch wieder auf einfachere Pfade.
So vergeht allerdings auch die Zeit und ehe ich mich versehe, laufe ich zum ersten Mal wieder durchs Stadion, 16 km, also ein Viertel der Strecke liegt hinter mir. Und wie es der Zufall so will, bin ich gemeinsam mit Ralf und Lars unterwegs, die ich im Vorweg bei einem Blick in die Startliste als Stärkste meiner AK ausgemacht habe. Lars gibt allerdings mächtig Gas und veschwindet schnell aus meinem Blickfeld. An Ralf hänge ich mich allerdings an und nehme mit ihm gemeinsam den leichtesten Teil des Rennens in Angriff, am Geigenbach entlang bis Regenhütte.
Back on Trail
In Regenhütte nach der Verpflegung verläuft die Strecke lt. Track direkt an meiner Unterkunft vorbei und so entscheide ich mich, meine Weste hier abzulegen. Allerdings führen uns die Wegweiser um den Ort herum, also muss meine Weste doch im Rucksack verschwinden, wobei die paar Gramm kaum zu spüren sind. Zwar gelingt es mir nicht, mich meiner Kleidung zu entledigen, allerdings entledige ich mich erfolgreich "meiner Konkurrenz" Auf dem Weg zum Silberberg lasse ich Ralf hinter mir, sehe ihn auch nicht mehr wieder. Er scheint das Rennen irgendwann aufgegeben zu haben.
Der Silberberg ist schnell umrundet, mit der Verpflegung davor und danach, ist man hier kurzweilig unterwegs, kann sich den Applaus der Wanderer oder Zuschauer einfangen und nebenbei den Blick über Bodenmais schweifen lassen und ehe man sich versieht, liegt die Hälfte der Distanz schon hinter einem. Hier lohnt auch ein erster Blick auf die Uhr, denn es dürfte nicht nur die Hälfte Renndistanz überwunden sein, sondern auch die Hälfte der Höhenmeter. Ab jetzt sind erste Hochrechnungen erlaubt.
Abwechslungsreich wird es ab dem Bretterschachten, im Winter ein traumhaftes Langlaufrevier. Breite Forstwege gehen über in fluffige Trails und anspruchsvolle Wurzelpfade; die Rieslochfälle, die Aussichten weit über Bodenmais hinweg auf die Ausläufer des Bay. Waldes bieten was fürs Auge, Zeit und Strecke fliegen nur so dahin.
Ich habe wohl ein klein wenig "getrödelt" zumindest laufen an der Verpflegung an der Klause zwei drei Läufer von hinten auf mich auf und rütteln mich wieder wach. Ich erhöhe das Tempo wieder, soweit man beim nun konstanten Anstieg hoch zum Kleinen Arber überhaupt von Tempoerhöhung reden kann.
Das Schlussstück über die beiden Arbergipfel
Ich habe wohl ein klein wenig "getrödelt" zumindest laufen an der Verpflegung an der Klause zwei drei Läufer von hinten auf mich auf und rütteln mich wieder wach. Ich erhöhe das Tempo wieder, soweit man beim nun konstanten Anstieg hoch zum Kleinen Arber überhaupt von Tempoerhöhung reden kann. Doch ich kann mich wieder ein wenig absetzen, 10 km bergan, danach noch 4 km steil hinunter zum Ziel. Also überschaubar, doch anspruchsvoll. Der Gipfel des kleinen Arbers zieht zum Ende hin noch einmal mächtig an, doch irgendwann lese ich auf einem Wegweiser:
- Kleiner Arber 1,7 km
- Großer Arber 2,3 km
Auch wenn wir nicht den kürzesten weg zwischen den beiden Arbergipfeln nehmen dürfen, diese Zahlen können einen Ultraläufer nicht mehr schrecken. Schnell bin ich drüber über dem kleinen Gipfel, laufe die Senke hinunter. Dort wartet Fotograf Marco: " Ein bisschen schneller!" ermahnt er mich: "Ich muss Dynamik in den Arber bringen". Leichter gesagt als getan nach fast 60 km und mehr als 6 Std. Laufzeit. Doch bald schon leuchten mir die beiden markanten Radarkugeln entgegen, 1983 in der Zeit des Kalten Krieges errichtet. Ich schlängle mich um die zahlreichen Wanderer und erreiche die letzte Verpflegungsstelle an der Liftanlage.
Schilder und Streckenposten warnen mich vor dem nun folgenden Abstieg und der hats echt in sich. Während mir aus dem Tal schon die Lautsprecheransagen vom Skistadion entgegenschallen. fordert der Weg noch einmal alles. Steil und mit zahlreichen Felsbrocken und Wurzeln durchzogen, kann jeder Fehltritt fatale Folgen haben. Nur nicht nachlassen in der Konzentration und lieber einen Schritt langsamer tun. Überholt zu werden fürchte ich nicht mehr, mache jedoch tragischerweise sogar noch einen Platz gut. Ein Läufer vor mir ist gestürzt und liegt verletzt auf dem Weg. Doch Hilfe ist schon bei ihm, ich werde nur gebeten, im Ziel der Bergwacht Bescheid zu geben, dass Hilfe benötigt wird. Schnell erreiche ich den breiten Forstweg, der in einer langgezogenen Linkskurve die letzten beiden Kilometer bis ins Ziel führt. Jetzt kann ich wieder Gas geben, genieße die letzten Meter, auch wenn mich die Wellen im Skistadion noch einmal ordentlich bremsen. Die letzte Kurve und ich habs geschafft.
Endorphine?
Wow, das war richtig cool!
Selten, dass ein Lauf über 7 Std. ohne Schwächephase, ohne mentale Schwierigkeiten über die Bühne geht. Irgendein Tief muss man in der Regel immer überwinden. Nicht so heute. Von Anfang an konnte ich mein Tempo laufen und halten. Ich war immer konzentriert, hatte keinen Sturz oder auch nur Stolperer und lief letztendlich entspannt ins Ziel. Und das noch in einer richtig ordentlichen Zeit. Schade, dass die Rennsaison für mich praktisch auch schon wieder beendet ist.
Aber jetzt freue ich mich erstmal über den Augenblick, lege mich in die warme Sonne, lausche der Atmosphäre hier im Stadion, strecke meine Beine aus. Zur Siegerehrung bin ich frisch erholt und geduscht dann auch wieder zurück. Grds. ist mir die nie so wichtig, heute will ich sie nicht auslassen und mitnehmen, quasi als Lohn für das doch recht umfangreiche Training der letzten Wochen.
Irgendwie war es ein perfektes Wochenende: Das Wetter nicht zu überbieten, die Strecke top und mir gelang noch ein richtig gutes Rennen. Danke an Alle, die vor oder hinter den Kulissen dazu beigetragen haben.