Sanctuary 55 - laufkultur.de

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Sanctuary 55
Auch "Top" lässt sich steigern...
Wenn Du Dich nach einem anstrengendem Lauf trotzdem energiegeladen und beschwingt fühlst und, Bäume ausreißen könntest, dann muss es ein besonderes Rennen gewesen sein. Beim Sanctuary ist mir das nun zum zweiten Mal gelungen. Die Strecke, die Atmosphäre, die handvoll Teilnehmer, einfach "leiwand" würde der Österreicher jetzt vermutlich sagen.

Wie im letzten Jahr bin ich mich schon 2 Tage vor dem Rennen vor Ort, diesmal habe ich mir Birkenstein, einen alten Wallfahrtsort als Bleibe ausgesucht.  Duplizität der Ereignisse. Trotz sommerlichem Wetter und ansprechenden Prognosen regnet es - von Donnerstag abends bis Freitag abends; ich erlebe einen entspannten Tag. Zum Glück hört der Regen wenigstens über Nacht auf; für den Renntag sind zumindest trockene Bedingungen von oben zu erwarten, nicht jedoch vom Untergrund her.

Gemütlich erlebe ich Frankreichs und Belgiens Einzug in die Halbfinals - Best never rest! (gehören halt nur nicht der dt. Nationalelf an...) Nebenbei mache ich mich für den morgigen Tag startklar. 5:30 Uhr aufstehen, frühstücken, richten und Abmarsch. Ein wenig mit den Bekannten aus dem letzten Jahr plaudern, noch ein Schluck Tee, ein kurzes Wort von Nawid und los gehts, heute vom Idyll des Hasenöhrl-Hof aus.
Wechselnde Bedingungen zu Beginn
"Anfangs einfach Manfred folgen" hatte Nawid noch gemeint, der sich dann prompt schon an der ersten Kurve kurz verrennt. Und trotzdem ist schon nach wenigen Metern die Hackordnung klar. Manfred rennt mit Jürgen im Schlepptau voran, Paul und ich bilden die Verfolgergruppe, von hinten abwechslend unterstützt und unter Druck gesetzt von Vroni, der pfeilschnellen Haushamerin, Franz und Lars.

Die Aiplspitz - Gipfel Nr. 1 - winkt uns mit einer dünnen Wolkenfahne herauf, doch oben verschwinden wir dann doch im Nebelsumpf; bei den letzten der fast 1000 Höhenmeter heißt es kräftig zupacken mit den Händen, um sich an den steilen und ausgesetzten Felsen empor zu ziehen. Wer nicht schwindelfrei ist, sollte nicht nach links schauen, wo ein lotrechter Abhang den Blick in die Tiefe freigibt. Gipfelphoto im Nebel, dann auf felsigem Grat weiter, bevor wir links abzweigen und einen brutal steilen Grashang hinunter zu Krottenthaler Alm mehr rutschen als laufen. Dort die erste Änderung zum vergangenen Jahr, es geht rechts weg auf einen schmalen, unscheinbaren Trail Richtung Taubensteinhaus. Je nach Wegwahl, können wir uns entscheiden, entweder zum Tauchgang oder zum Freischwimmer, der gestrige Regen hat der muldenartigen Senke heftig zugesetzt. Aber 1000 mal besser als der Fahrweg des Vorjahres.

Im Angriff auf den Miesingsattel sehe ich vor mir Nawid und Felix auf ihren Verpflegungs-Bikes, wenige Meter dahinter dann Manfred und Jürgen gemeinsam im Anstieg. Den Beiden begegne ich dann wenig später beim glitschigen Anstieg zum Hochmiesing zwischen den Latschenkiefern, wo sie mir im konzentrierten Downhill zurück zum Sattel entgegen kommen. Auch ich sondiere im Downhill meine "Verfolger", Paul, der sich - vor mir liegend - an der Krottenthaler Alm kurz verlaufen hatte, Vroni, Lars, Joachim und Franz mit seinem "Trailhund"!

Ich verpflege mich nur nach dem Downhill und gehe dann als 3. Gipfel die Rotwand an, gemeinsam mit Paul, der wieder zu mir aufgeschlossen hat.

Die Steigerung von "doof"!
Die nächsten Kilometer vom Rotwandhaus nehme ich allein in Angriff, Paul versorgt sich mit Wasser, folgt mir in kurzer Distanz, um an der Auerspitz unbemerkt an mir vorbei zu ziehen. "Unbemerkt", wie geht das? Dazu muss man nur doof genug sein. Beim Aufstieg zur Auerspitz zeigt mir mein Track eine Abweichung an. Angeblich weiche ich zu weit nach rechts ab, obwohl kein Weg nach links führt. Deshalb entscheide ich mich oben auf dem Gipfel/Grat für den Downhill nach links, um feststellen zu müssen, dass ich weiterhin zu weit nach rechts abdrifte. Beim Versuch - ruhig und im Stehen zu navigieren dreht sich der Track auf meiner Uhr, ich bin kurz orientierungslos, finde dann aber doch irgendwie auf meinen Trail zurück... bis mir Läufer entgegenkommen.

Wie kann man nur sooo doof sein? Ich habe einen Kreis gedreht, laufe nun in der falschen Richtung. Also Umdrehen und den steilen Grat über schlammige Kuhweiden zum zweiten Mal in Angriff nehmen. Zur Belohnung bekomme ich allerdings eine charmante wie schnelle Begleiterin an meine Seite. Vroni hat zu mir aufgeschlossen. Sie bleibt mir bis zum Aufstieg zum Wendelstein erhalten, inkl. einem zweiten Irrweg, der uns zum steilen Aufstieg über eine Kuhweide zwingt.

Aber sie zwingt mich auch in einen höheren Gang beim Downhill hinunter nach Bayrischzell; als gewohnt schlechter bergab-Läufer fällt es mir oft schwer, hinunter die Bremse zu lösen. Dort fällt der Halt an der Verpflegung nur kurz aus (damit ziehen wir an Joachim vorbei), schließlich habe ich mir an der Niederhofer Alm bei Verena die zünftige Brotzeit nicht entgehen lassen, dazu ein Alkoholfreies getrunken. Bis zum Seebergkopf habe ich den dadurch eingehandelten Rückstand auf Vroni auch schon wieder aufgeholt.

Hinter Bayrischzell trennen sich dann unsere Wege wieder. Ich bin bergauf ein klein wenig schneller (brauche die Zeit ja immer für die Downhills) und so bleibt Vroni fast bis zum Gipfel in Sichtweite hinter mir, verliert aber doch die eine oder andere Minute. Kurz vor dem Gipfel kommt mir dann im Getümmel der Turnschuhtouristen... o.k., ich bin ja auch einer... also besser gesagt, "Sneakerstouristen" Paul entgegen. Den glaubte ich weit vor mir und heute höchstens noch im Ziel anzutreffen.
Im Flow!
Die Passage vom Wendelstein hinüber zum Breitenstein gleicht sich nur im ersten Drittel mit der Strecke vom Vorjahr. Oben anspruchsvoll und megasteil, im weiteren Verlauf dann richtig "fluffig" zum cruisen, geht es in unzähligen Serpentinen abwärts. Und auch beim Aufstieg zum Breitenstein müssen wir nicht mehr die hässliche Rinne nehmen, sondern können auf dem schmalen Bergpfad nach oben.

Kurz unterhalb der Hubertushütte wartet Nawid mit der letzten Verpflegung. Wir machen uns jetzt Gedanken über Paul, der noch nicht bei Nawid angekommen ist, den ich aber auch nicht überholt habe. Nachdem er offenbar auch gestürzt war, befürchte ich nun, er musste aufgeben und die Bahn vom Wendelstein nehmen. Auf alle Fälle bin ich jetzt plötzlich wieder Dritter, unfassbar. Mit neuem Schwung nehme ich jetzt die letzten Meter hoch zum Gipfel. Genau am Abzweig hinüber zum Bockstrin-Gipfel kommt mir dann auch Paul entgegen. Er ist am Wendelstein zu weit nach unten gelaufen, wodurch ich ihn unbemerkt überholt habe.

Jetzt möchte ich meinen dritten Platz allerdings auch nicht wieder hergeben und mache mich deshalb zügig auf den Weg hinunter zur Bäckeralm. Auch der Weg ist neu, viel schöner als der breite Fahrweg des letzten Jahres. Die Runde hat mit der neuen Streckenführung nochmal an Attraktivität gewonnen. Fies noch mal der kurze Gegenanstieg, der uns auf den letzten Trail hinunter nach Birkenstein bringt. Ich bin immer noch höchst konzentriert, komme heute ohne echten Stolperer über den gesamten Parcours.

Unten in Birkenstein kommt dann langsam Freude auf. Ich bin gerade dabei, meinen 100. Ultralauf zu beenden. Eigentlich eine kaum zu greifende Zahl, dabei haben sich die Läufe in den vergangenen Jahren einfach so angesammelt, ohne dass ich das wirklich wollte. Entsprechend beschwingt fliege ich über die letzten drei flachen Kilometer, jetzt kann mich nichts mehr aufhalten. Es ist vollbracht!
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