Borderland-Ultra - laufkultur.de

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In Führung gehen ist nicht schwer...

Mein 1. Gesamtsieg?
Seit rund 2 Wochen steigt die Spannung in mir beinahe täglich. Mein Training habe ich die letzte Zeit minimiert, zum einen aufs wandern verlagert, zum anderen kurze und schnelle Einheiten gemacht, was durchaus untypisch ist für mich. Doch ich habe für den Borderland Ultra gemeldet und möchte meinen Platz 2 aus dem Jahr 2013 verteidigen, vielleicht sogar noch verbessern. Verbessern bedeutet also siegen und das kann ich eigentlich nicht, reise ich doch mit dem Prädikat "Ewiger Zweiter" nach Streufdorf, nachdem ich zuvor immer mal wieder von Rene Strosny ausgebremst wurde und auch 2013 Marcus Baldauf nur hinterhersehen konnte. Für Mirko bin ich deshalb zur Nr. 1 der Herzen geworden!

Bis auf Jochen Rauscher, den Vorjahressieger kenne ich kaum jemanden auf der Startliste, bin also gespannt, wer neben mir an der Linie stehen wird. Auf alle Fälle nehme ich mir vor, mich zunächst mal an Jochen dran zu hängen, das scheint mir keine schlechte Strategie zu sein. Denn seine Vorjahreszeit von glatt 6 Stunden glaube ich ebenfalls drauf zu haben. Was dann kommt... ich will es abwarten.

Nur der Mauerhannes, der mit mir das Zimmer teilt, weiß von meinen heimlichen Zielen.
Drittel Eins und zwei!

Punkt 7 Uhr fällt der Startschuss. Jochen gibt sofort Gas, ich gehe mit. Schon nach nur einem Kilometer wird mir klar, die Konkurrenz wird zumindest überschaubar bleiben. Trotzdem verliere ich Jochen schon auf der Burgruine Straufhain aus den Augen, glaube ihn vor mir und stürme den Berg hinunter, bis ich feststelle, dass er hinter mir geblieben war und entsprechend Mühe hatte, mir hinterher zu kommen. Ab jetzt werden "die Hengste" allerdings zahmer und wir spulen einträchtig gemeinsam unsere Kilometer ab.

Ein wenig Ruhe ist allerdings auch dringend geboten, denn bald schon biegen wir in den schönen wie berüchtigten Kolonnenweg ab. Die verwitterten und teils ausgespülten Lochplatten sind gefährlich. Ein unachtsamer Tritt kann ein Umknicken oder Steckenbleiben und damit das Aus bedeuten. Entsprechend vorsichtig agieren wir, vor allem an den steilen und besonders tückischen Gefällstrecken.

Trotz der erforderlichen Konzentration bleibt uns ein wenig Muße, die wunderschöne Natur hier zu genießen. Alles glänzt im saftigen Grün, die Wälder wie die hügeligen Felder. Kein Auto und kein sonstiger Lärm stören die Ruhe. So schlimm wie die innerdeutsche Grenze auch gewesen sein mag, mit dem grünen Band zieht sich heute eine traumhafte Oase mitten durchs Land, die man erlebt haben muss.

Seite an Seite laufen wir von Verpflegung zu Verpflegung, nur ab und an überholen wir einen der bereits nachts gestarteten 110-km-Läufer, selbst Fabian, der anfangs als Dritter noch Kontakt zu uns hielt, ist mittlerweile völlig aus unseren Augen entschwunden.

Langsam beginne ich, Jochen ein wenig auszutesten. Ich nehme an den Steigungen weniger Tempo raus, beobachte ihn, wie er Schritt hält. Wenns richtig steil wird, bin ich wohl schneller als er, doch dummerweise nehmen die Steigungen zum Ende hin ab. Und auf der Ebene lässt er genauso wenig Schwächen erkennen wie bergab. Da bin ich nicht so gut, habe Mühe, ihm hinterher zu kommen.

Wir lassen die Heldburg hinter uns, durchqueren das wunderschöne Ummerstadt; schon beginne ich die Hoffnung aufzugeben, mich irgendwo absetzen zu können und richte mich gedanklich bereits auf einen gemeinsamen Start-Ziel-Lauf ein. Allerdings glaube ich, kurz vor Hellingen zu bemerken, dass Jochen nicht mehr ganz so druckvoll läuft. Ich setze mich also einen halben Schritt vor ihn und verschärfe beinahe unmerklich das Tempo. Die kleine Steigung kurz vor dem Ortseingang komt mir dann gerade richtig. Ich gehe die wenigen Steigungsmeter mit voller Geschwindigkeit an und spüre, wie mein Begleiter hinter mir ein wenig an Boden verliert. Jetzt nur nicht nachlassen und schon gar nicht umdrehen. Mit Vollgas steuere ich den Verpflegungspunkt an. Ein Becher Wasser, ein Becher Cola und weiter gehts, noch ehe Jochen mich erreicht hat.
Nur noch ein Verpflegungspunkt trennt mich vom Ziel. Und der hat es in sich. Hinter Haubinda steigt der Kurs noch einmal kurz und knackig an, kaum zu laufen nach dem kurzen Stillstand an der Versorgung. Wenn mich Jochen hier nicht mehr zu Gesicht bekommt, dann hab ich es wohl geschafft. Ich kann nichts von ihm bemerken, höre aber Anfeuerungsrufe, als ich im Wald verschwinde, macht geschätzt eine Minute Versprung für mich. Im Normalfall sollte das reichen. Jetzt also Konzentration und Tempo noch einmal hochhalten.

In der Ferne kann ich Streufdorf erkennen, das Ziel förmlich riechen. Doch am Ortsrand angekommen, biegt der Weg ab und führt in einer 3 Kilometer langen Schleife noch einmal um den Ort. Hinter mir ist niemand, jetzt endlich habe ich die Gelegenheit, das Tempo zu drosseln und in den Genussmodus umzuschalten. Eine letzte Kurve und das Ziel liegt vor mir. Ich habe es tatsächlich geschafft!

Nachlese

In Führung gehen ist nicht schwer, das Ding zu Ende zu bringen hingegen sehr!

Klar bin ich stolz darauf, einen Sieg gelandet zu haben, doch viel mehr als das Ergebnis bedeutet mir der Weg dorthin. Die ganzen Kilometer gemeinsam mit Jochen einerseits, das für mich perfekte Rennen andererseits. Eine Idee zu haben und diese auf den Punkt genau umsetzen zu können, jeden Kilometer und jede Minute präsent zu sein, meinem Körper zum richtigen Zeitpunkt die erforderliche Leistung abrufen zu können, das hat einfach Spaß gemacht. Daran hätte auch ein Platz 2 oder 10 nichts geändert.

Ich bin ziemlich verunsichert in die Saison gestartet. Der komplette Februar Urlaub, kein Training, danach der vollständige Verzicht auf lange Einheiten, all das hatte dazu beigetragen, dass ich lange nicht wusste, wo ich stand. In den letzten Wochen ist die Sicherheit und damit das Selbstvertrauen zurückgekehrt. Offenbar habe ich alles richtig gemacht. Das gibt Lust auf mehr!
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