Borderland Ultra - Der vergebene Sieg?
Oder: Was ist mir Siegen überhaupt wert?
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Besteige ich heute endlich den Thron und werde zum
Sieger gekürt?*
Die Geschichte
meines diesjährigen Borderland-Ultras ist kurz und doch wieder lang
Angefangen hat es damit, dass ich auf der Suche nach einem letzten
Vorbereitungsrennen für das Südtirol Ultraskyrace war. Entweder bergig
sollte es sein oder lang, ein guter Ultra der Mitteldistanz.
Die Auswahl war Anfang/Mitte Juni
überschaubar. Es gab den KUT, den Ötscher oder das
Abenteuer im
Borderland. Nach einem Blick in den Terminkalender war klar. Bis
Freitag bin ich in Erfurt, die Fahrt in die Pfalz ist def. zu weit! Aber
praktisch auf dem Heimweg liegt - mit einem kleinen Schlenker - das
Borderland. Perfekt!
Vom vergangenen Jahr wusste ich:
Das wars! Schweini und Mirko als gut befreundete Organisatoren, die
geschichtsträchtige Strecke, zwar nicht wirklich Trail, doch im Vergleich
zum Vorjahr modifiziert und noch selektiver, dazu die guten Erinnerungen an
2013,
wo ich, als "Nr. 1 der Herzen" gestartet nebenbei noch den 2. Gesamtrang
einsacken durfte.

Verdienter Lohn für den 2. Rang 2013!
Wenig später bin ich
angemeldet, die Nachricht verbreitet sich wie Lauffeuer. "Diese Jahr könne
ich gewinnen!" mein Mirko via Sozialer Netzwerke. "Interessiert mich nicht!"
gebe ich zurück.
Aber interessiert es
mich wirklich nicht? Ich ertappe mich bei einem verheißungsvollen Blick in
die zum Glück überschaubare Startliste. Echte Granaten wie Marcus Baldauf
entdecke ich nicht, ein paar kleine Fragezeichen wandeln sich nach einem
Blick in die DUV-Statistiken zu einem Ausrufezeichen.
Mirko hat Recht, meine
Chancen stehen gut. Zumindest steht wohl keine unbezwingbare Konkurrenz am
Start. Natürlich weiß ich, dass ein Lauf über 70 km immer gespickt ist mit
Unwägbarkeiten, doch wenn die ausbleiben, dann könnte es klappen!
Doch 14 Tage vor dem
Rennen dann die Ernüchterung in Form einer
Terminüberschneidung!
Gemeinsam mit meinem
Schatz habe ich eine 2-tägige Wanderung in meiner Heimat geplant. Nicht am
Pfingstwochenende, sondern über Himmelfahrt. Pfingsten ist für uns nur der
Ausweichtermin und genau diese Option gilt es plötzlich zu ziehen. Üble
Wetterprognosen am Vatertag lassen unser Vorhaben endgültig platzen, der
einzig mögliche Ersatztermin vor unserem Walking-Start beim Mozart 100 ist
Pfingsten.
Geht es dieses Jahr tatsächlich hoch hinaus?*
Mein Dilemma ist groß. Abmachungen
haben bei mir einen großen Stellenwert. Und jetzt steh ich plötzlich zwei
mal in der Verpflichtung. Was tun?
Mein Herz hängt an beiden
Veranstaltungen. Ich hatte mich auf Beide gleichermaßen gefreut, nur nicht
mit der Terminüberschneidung gerechnet. Lange gehe ich in mich, bis ich mich
entscheide. Bei gutem Wetter geht es ins schöne Bühlertal, bei schlechtem
ziehe ich die Option "Borderland", weil dann unsere gemeinsame Wanderung ins
Wasser fällt. Nur mit Mühe bringe ich es übers Herz, Mirko von meiner
Zerrissenheit und den Folgen zu unterrichten. Der macht es mir nun wirklich
nicht leichter, schmiert mir meine Siegchancen wie dicken, klebrigen Honig
ums Maul. Da könne ich doch nicht "Nein!" sagen, schließlich gelte es, mein
Platz-2-Trauma endgültig zu besiegen.
Doch meine Entscheidung steht:
Wandern ist die Nr. 1, das Borderland ist Schlechtwetteroption und damit Nr.
2! Und die Option lässt sich nicht ziehen. Denn die Wetterprognosen legen
sich schon früh auf traumhaftes Pfingstwetter fest. Somit werde ich nicht
mal die Chance haben, meinen ersten Sieg zu landen, unabhängig von der
Frage, ob ich es nun tatsächlich schaffen könnte und welchen sportlichen
Stellenwert der hätte.

Die Entscheidung ist gefallen. ich bin im wunderschönen
Bühlertal.*
Interessant wird allerdings für
mich die Frage: "Leide ich am 7. Juni heftig, oder kann ich die Enttäuschung
wegstecken?" - "Wie fühle ich beim Blick in die Ergebnislisten?" - Ich bin
gespannt!
Ich gestehe, bis dahin kommen mir doch immer wieder kurze Gedanken. Meine
Form wäre gut, wohl noch um einige besser als im vergangenen Jahr; die zu
erwartende Hitzeschlacht käme mir ebenfalls entgegen. Meine besten Resultate
habe ich bei Hitzerennen eingefahren. In den vergangenen Rennen habe ich
eine aggressive Renntaktik geübt, bin stets mit im Vorderfeld gestartet,
dem möglichen Druck, "von vorne weg" zu laufen, könnte ich also gut
aushalten. Eigentlich wären damit alle Vorzeichen perfekt gewesen.
Und doch sitze ich am 7. Juni um 7 Uhr morgens noch zuhause beim Frühstück.
Gedanken ans Rennen verschwende ich da keine. Höchstens im Verlauf des Tages
schweifen meine Gedanken gelegentlich ins ferne "Borderland", während ich
das Gebiet rund um den Altenberg erkunde. Traurigkeit verspüre ich jedoch
keine, Gesprächsthema ist der Borderland Ultra nur kurz, als mich mein
Schatz anspricht, ob ich meine Entscheidung bereuen würde.

1 Termin, 2 Events! Ich bin voll im Fettnapf
gelandet.*
Doch Reue will in mir nicht aufkommen. Auch nicht, als ich ein paar Tage
später einen Blick in die Ergebnislisten wage. Der bringt mir Erkenntnis in
doppelter Form:
Erstens war meine Prognose über die Konkurrenz durchaus richtig. Mein
mutmaßlich stärkster Konkurrent lies es sich nicht nehmen, seinen Sieg
einzufahren. Meine Gratulation dazu!
Die Zeit? Erscheint mir im Nachhinein schlagbar, auch wenn ich die wohl
heftigen Bedingungen in Betracht ziehe. Doch gewinnen kann nun mal nur, wer
sich der Herausforderung auch tatsächlich stellt. "Wenn das Wörtchen wenn
nicht wär..." wussten wir in meiner Kindheit immer zu entgegnen, wenn jemand
mit "fiktiven Geschichten" all zu sehr auftrug.
Gelernt habe ich aus meiner Nichtteilnahme viel. Nicht nur, dass ich meine
Termine mit allen Eventualitäten künftig besser managen muss; entscheidender
ist für mich vielmehr, dass ich auch weiterhin "sieglos" recht gut leben
kann, dass ich recht schmerzlos die womöglich einzige echte Chance der
nächsten Jahre verkraftet habe. Einmal "Der Held!" sein, wäre schön gewesen,
weiter nichts. Es nicht zu sein bzw. die Chance verpasst zu haben, hat
keinerlei Spuren in mir hinterlassen. Das ist gut so. Ist mir doch wieder
mal bewusst geworden, dass es mir ums Tun geht, nicht um die daraus
entstehenden Folgen, wie auch immer die aussehen mögen.
Was mir mehr weh tut, ist, dass ich Freunde mit meiner "Unzuverlässigkeit"
verletzt habe, ich diese nicht mal sehen konnte. Mal "rein in die Kartoffeln
und dann gleich wieder raus" ist nicht mein Ding. Doch beide Geschichten
gleichzeitig ließen sich einfach nicht unter einen Hut bringen... mea culpa!
Eine Sorge ist allerdings geblieben: Wo mache ich jetzt meine anstehende harte
Trainingseinheit?

Hoch hinaus? Nicht mein Ding!*
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