Der Kaisermarathon 2010
Tortour de Tirol – die schwarze Skipiste
bergauf
Finale
zurück zum Start
Praktisch knapp hinter Platz 1... Der Querläufer!
3 TAGE – 73 KILOMETER – 2200 HÖHENMETER.
Das sind die nackten Fakten über einen Etappenlauf der besonderen Art. Es
handelt sich um die Tour de Tirol. Ein Geheimtipp für ambitionierte Läufer.
Also für ganz Durchgeknallte, um sich den letzten Rest der vorhandenen
Gehirnzellen abzutöten. Davon ist meine Läuferfrau absolut überzeugt.
Vor dem Start noch guter Dinge.
Die Veranstaltung startet am
Freitagabend mit einem 10 KM-Lauf. Zum Einlaufen sozusagen. Der
Kaisermarathon (42,2 km) bildet die zweite Etappe am Samstag. Mit einem
Halbmarathon (21,1 km) am Sonntag klingt die Veranstaltung dann gemütlich
aus.
Der Querläufer vertritt die fränkische Fahne bei der Tour
de Tirol
Doch er ist nicht allein: Auch Thomas "laufspass"
Schmidtkonz ist mit am Start!
Anspruchsvoll, sage ich. Total
bescheuert, sagt meine Frau. Der Alpbachtaler Zehner, gestern, war zum
Einrollen gedacht.
Jochen und Thomas zum "Einrollen" beim
Alpbachtaler Zehner.
Die große Prüfung erwartet mich heute.
Der Kaisermarathon. Für die Läufergattin ist der Kaisermarathon nur die
Deklination von Kaiserschmarrn. „Du wirst Deine sportliche Lektion am Berg
schon bekommen.“, ist sie sich sicher. Aber nichts da. Dafür habe ich das
letzte halbe Jahr trainiert. Ich bin fit. Körperlich: Jeden Hügel um
Röttenbach kenne ich mittlerweile auswendig. Und Geistig: Laufberichte und
Streckenbeschreibungen habe ich zuhauf gelesen. Das Streckenprofil hängt
seit Wochen neben meinem Bett.
Den Blick bereits hochkonzentriert gen Ziel
gerichtet.
Sie nimmts dagegen gelassen.
Mein Trainingsplan liegt unter meinem
Kopfkissen. Aus dem Internet habe ich mir die Sprüche der Motivationstrainer
geholt. Das Training zielt seit 3 Monaten auf dieses Laufevent ab. Meine
Familie wurde zu einem als Urlaub getarnten Trainingslager in Kärnten
überredet. Kilometer und Höhenmeter habe ich gesammelt. Ein
Höhentrainingslager als Trainingshöhepunkt bildete den Abschluss der
Schufterei. Und jetzt ist es so weit. Ich stehe am Start.
Am Start des Kaiserschmarrns... äh...
Kaisermarathons.
Unglaublich, ich der Flachlandtiroler
hier zwischen den Ultras und Bergspezialisten. Hoch konzentriert warten wir.
Der Startschuss schickt uns auf die Reise. Entschlossen laufen wir los.
Meine Augen spannen sich zu kleinen Schlitzen. Mein Gesicht sagt, wenn ich
will, kann ich von hier bis nach Norwegen laufen. Nur mit einem Stück
Dörrfleisch in der Trikottasche. Das Feld zieht sich schnell auseinander. Am
Anfang noch locker und flapsig. Manch einer übernimmt sich auf der ersten
Hälfte. Später wird es steil. Der erste Anstieg zum „Hartkaiser“ bremst uns
aus. Wir kämpfen uns hoch. Trittsicher. Der Kampf Mann gegen Berg. Die
Trinkflaschen sind mittlerweile leer. Ringsum die schroffen Felsen, die
steilen Abhänge, die Wiesen im Tal, der „Wilde Kaiser“ vor mir – Kopf und
Blick nach oben zum Ziel gerichtet. Doch wir sind noch lange nicht oben. Die
nächste Verpflegungsstation ist weit. Keine Augen für die Schönheit der
Bergwelt.
Steile Pfade vor sich, den "Kaiser" hinter
sich... Der Querläufer in Tirol.
Die Oberschenkel brennen. Berglaufen,
die Königsdisziplin. Das ist schon etwas anderes als Golf oder Schach. Oder
mit dem Lift zur Bergstation. Den Rucksack voller Wurstbrote. Also bitte
nicht falsch verstehen. Ich habe nichts gegen Schlafwandler. Aber Laufen ist
schon etwas Besonderes. Die Wanderer entlang der Strecke schauen uns
entgeistert an, schütteln die Köpfe. Laufen ist schon etwas Bescheuertes,
sagen ihre Blicke. Weiter geht es, dem Gipfel auf der „Hohen Salve“
entgegen. Wir trinken und essen in der Bewegung. Nichts kann uns stoppen. –
Außer dieser Steilhang vor mir. 3,5 km mit exakt 689 Höhenmetern. Eine
schwarze Skipiste! Senkrecht vor mir ragt sie in die Höhe. Mein Blick geht
langsam nach oben. Der Hang findet kein Ende. Ungefähr 500 Meter über mir
wird er überhängend. Jetzt wird es ernst.
Der Kaisermarathon ist bezwungen.
Schritt für Schritt kämpfen wir uns nach
oben. Meine Füße kleben am Boden. Es ist wie in einem Traum. Ich komme nicht
von der Stelle. Im Zeitlupentempo stolpere ich an Kilometer 41 vorbei. Ein
Kilometer wird zur Unendlichkeit. „Jetzt hast es glei!“, ruft jemand. Der
Weg wird flach. Vor mir taucht das 42er-Schild auf. Die Zuschauer verdecken
die Kurve zum Zielkanal. In meiner Verzweiflung setze ich zum Zielsprint an
und werde gestoppt. Hinter der Kurve erwartet mich ein „Klettersteig“ auf
den letzten zweihundert Metern zum Ziel. Welch kranker Geist hat sich diese
Strecke ausgedacht? Und einen Halbmarathon soll ich morgen auch noch laufen?
Das Ziel der Tour de Tirol nach dem
Kaiserwinkl-Halbmarathon
Run happy and smile!
Euer Querläufer
Jochen Brosig
Röttenbach, den 12. Oktober 2010
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