Im vergangenen Jahr machte sich Lauffreund Richard gemeinsam mit Freund "Fredl"
auf den Jakobsweg, um vor dem Ziel zu scheitern, glücklicherweise
eigentlich, denn so sind die Beiden auch in diesem Jahr unterwegs, um das
Werk gemeinsam zu vollenden.
Zum Bericht des Vorjahres
Mittwoch, 12.
Mai 2010 - Heimat

Bild aus dem Jahr 2009
Liebe Freunde,
eigentlich kann ich es kaum mehr erwarten, dass es endlich losgeht mit
unserer Fortsetzung des Jakobsweg-Abenteuers. Zum Glück - zumindest in
diesem Fall - vergeht ja bekanntlich die Zeit sehr schnell und so sind wir
schon bei Lage 20 angekommen (sofern uns unser isländischer Spezialist für
Nicht-Flüge aller Art lässt).
Was ist denn also alles so passiert in den letzten 80 Tagen seit meinem
letzten Rundschreiben?

Farbenspiel am Morgen (Bild aus dem Jahr
2009)
Nachdem uns der Winter dann doch
noch verlassen hat und die Temperaturen endlich (halbwegs) frühlingshaft
wurden, hat natürlich das Training gleich mehr Spaß gemacht. Das
Wochenpensum hat sich so bei 80-110 km eingependelt, was für die
Belastungen, die uns am Jakobsweg erwarten werden, sicherlich ganz sinnvoll
ist und ein gewisses Mindestmaß darstellt.
Um die "Wartezeit" ein wenig abzukürzen, habe ich auch bei ein paar
Marathons mitgemacht: Beim Rom-Marathon erging es mir eher bescheiden (dafür
war die Stadt total interessant und eine Reise wert), beim Linz-Marathon hab
ich einen ganz gemütlichen Pacemaker-Job gemacht (und auch einige Schäfchen
ins Ziel gebracht) und vor 2 Wochen hab ich beim Welsch-Lauf in der
Südsteiermark mit der Truppe aus Schwarzach ein Super-Wochenende verbracht
(sowohl von der Geselligkeit als auch von der Schönheit der Strecke her) und
dabei gleich mehrere Freunde gefunden.
Ein - mögliches - Andenken vom letzten Marathon ist blöderweise eine leichte
Verkühlung, aber das wird schon wieder.
Kommenden Sonntag mache ich - so
wie jedes Jahr - noch beim AMREF-Salzburg-Marathon mit, diesmal beim
Halbmarathon, da sollte ich als Pacemaker ziemlich schnell laufen; mal
sehen, was das wird. Voriges Jahr haben wir bei der Firmenwertung den 2.
Platz erreicht, vielleicht klappt das ja heuer wieder.

Fredl und Richard
Natürlich haben Fredl und ich
auch dieses Jahr wieder einige Trainingsläufe gemeinsam absolviert (wir sind
schon fast wie ein altes Ehepaar), auf einen ganz langen Lauf (so wie
letztes Jahr) haben wir heuer aber verzichtet; man muss sich ja eine gewisse
Spannung bewahren.
Nächste Woche treffen wir uns vor dem Abflug noch einmal, um noch ein paar
Dinge durch zu besprechen und dann sind es ohnedies nur mehr 10 Tage.
Ich werde mich vor dem 1. Juni noch einmal melden und Euch die ersten
Etappen ein wenig vorstellen.
Bis demnächst!
Liebe Grüße und keep on running!
Richard
Montag, 31. Mai 2010 -
Heimat
Queridos amigos,
ich kann es eigentlich gar nicht
glauben, aber morgen ist der 01. Juni und wir starten tatsächlich zur
Fortsetzung unseres "verrückten" Abenteuers. Da freut man sich das ganze
Jahr über und sehnt den Termin geradezu herbei und dann hat man das Gefühl,
dass einen der Aufbruch ganz unvorbereitet trifft.
Na ja, so schlimm ist es nicht, aber eine gewisse Anspannung spüre ich
schon, die auch die Vorfreude ein wenig angeknabbert hat, aber morgen am
Flughafen in Salzburg - und nach einem Beruhigungsseiterl - wird sich das
tolle Gefühl auch wieder einstellen.

Am Camino duro
Trainiert hab ich auf alle Fälle ganz brav, und auch die letzten Testläufe
(Halbmarathon in Salzburg und "Abschlusstraining" in Schwarzach, siehe Bild)
haben gut funktioniert.

Richard, Fredl, Guido
Diesmal fliegen wir
(über Palma de Mallorca) direkt nach Santiago, um am Mittwoch mit dem Bus in
ca. 6 Stunden nach Hospital de Órbigo zu gelangen, wo wir in der gleichen
Herberge wie letztes Jahr übernachten wollen. Am Donnerstag, den 03. Juni
werden wir dann endlich losgelassen, und diese erste Etappe soll dann auch
gleich eine der schönsten sein, geht es doch auf das "Dach" des Camino, auf
das Cruz de Ferro (ca. 1500 m) hinauf, wo wir - so wie alle Pilger - einen
mitgebrachten Stein ablegen werden (als Sinnbild für etwas, das man
zurücklassen möchte). Vorher werden wir uns aber noch Astorga mit dem
berühmten Bischofspalast von Antoni Gaudí ansehen und das Etappenende sollte
dann - wenn alles klappt - in El Acebo sein, ein ganz kleines aber umso
netteres Dorf, das Hape Kerkeling in seinem Buch als eines der Highlights am
Camino bezeichnet.
Die Wettervorhersage für die nächste Zeit ist ganz gut (leider nur für
Spanien!) mit angenehmen 20-25 Grad (ich hör eh schon auf...).
Danke jetzt schon an alle, die uns die Daumen halten!
Hasta luego
Richard
Mittwoch,
2. Juni - km 0 - Hospital de Orbigo
Liebe Freunde,
wir sind schon wieder im Spital! Gott sei Dank ist es nur Hospital de Orbigo,
(der Name kommt von einem alten Pilgerhospiz, das es hier einmal gegeben
hat) der Startpunkt unseres Laufs.

Hospital de Orbigo
Bisher hat - im Gegensatz zum Vorjahr - alles super geklappt, sogar unsere
Rucksäcke haben wir planmäßig in Santiago erhalten - , obwohl uns am
Flughafen in Salzburg noch gesagt wurde, dass es in Palma de Mallorca
(Zwischenlandung) immer eine gewisse Schwachstelle bezüglich Gepäck gibt.
Santiago kennen wir nun auch schon ein wenig und natürlich haben wir auch in
der Bar vorbeischauen müssen, wo wir voriges Jahr unseren "Abschluss-Veterano"
zu uns genommen haben.

Blick auf Astorga (Bild aus dem Jahr 2009)
Wir haben uns hier in Hospital de Orbigo standesgemäß gleich im selben
Hospedaje wie letztes Jahr einquartiert, auch der Herbergsleiter hat uns -
und seine eigene Schrift im Credencial (dem Pilgernachweis) sogar wieder
erkannt.

Bischofspalast in Astorga
Es ist schon ein witziges Gefühl, wieder hier zu sein: Alles was wir bisher
in diesem kleinen Ort gesehen haben, ist noch wie vor einem Jahr, weshalb
ich dauernd meine, dass ich nur mal kurz weg war.
Das Gefühl der Vorfreude ist zum Glück wieder da und so freu ich mich schon
total auf morgen, wenn es laufmäßig nun wirklich losgeht.
Vielen Dank an alle, die mir zurück geschrieben haben und auch danke für all
die guten Wünsche; da kann eigentlich gar nix mehr schief gehen (ich klopf
eh gleich wieder auf Holz!).
Bis bald wieder und liebe Grüße
Richard
Donnerstag, 3. Juni -
El Acebo - km 58
Queridos amigos de Ricardo en el
Camino de Santiago,
gestern wäre ich fast ertrunken, ob Ihr es glaubt oder nicht. Nicht in
Tränen - weil da gibt es derzeit wirklich keinen Grund - sondern in einem
Mix aus S+S, will heißen Saft+Seiterl, weil ich doch geschrieben habe, dass
ich für jedes Mail, das Ihr retour schreibt, ich auf den/diejenige/n eben
Saft oder Seiterl mittrinke. Damit war ja nun wirklich nicht zu rechnen,
dass da so viele Mails zurückkommen, aber ich habs dann doch irgendwie
geschafft...
Übrigens: Nur weiter so!!

Am Cruz de Ferro
Wir sind wirklich schon bei km
58 angelangt, das freut uns beide natürlich immens. Es war heute gar nicht
einfach, weil erstens sehr heiß (ich schick Euch hiermit ein paar Grad!!)
und zweitens insgesamt 950 Höhenmeter.
Aber gleich eines vorweg: Obwohl es teilweise sehr anstrengend war, ist es
auch irre super: Das Laufgefühl und jenes wieder am Camino zu sein, hat
sich glaube ich gleich nach den ersten 200 Metern eingestellt. Fredl und ich
verstehen uns blendend (eh klar eben wie ein altes Ehepaar) und auch so geht
es uns ganz gut, zwar etwas müde aber bereit für die nächsten Tage.

Am Weg nach Astorga
Ein Höhepunkt war sicherlich das Cruz de Ferro ca. bei km 48,
ein Kreuz, wo schon Tausende von Pilgern einen Stein abgelegt haben
(klarerweise auch wir).
Die Aussicht war atemberaubend (von 1500 m) und so haben wir auch ein paar
tolle Fotos und Filmaufnahmen gemacht.
Jetzt sind wir in El Acebo, wirklich ein ganz schönes Dorf (Hape Kerkeling
hat nicht sehr übertrieben) und werden demnächst ein Pilgermenue um heiße
9,50 zu uns nehmen.
Morgen geht es weiter über Ponferrada, mal sehen, wie viele km wir denn
schaffen.
Liebe Grüße
Richard
Freitag, 4. Juni -
Trabadelo - km 112
Hola amigos,
jeden Tag etwas Neues: Wäre ich
wie gesagt gestern fast "ertrunken" so waere ich heute fast erdurstet, doch
der Reihe nach:
Von El Acebo (unruhige Nacht mit 2 Deutschen - nicht wie Ihr jetzt
vielleicht denkt! - weil die so gehustet und geschnarcht haben) zuerst einen
wunderschönen Weg bis kurz vor Molinaseca, dann Frühstück in Ponferrada
(eine sehr hübsche Stadt mit einer tollen Templerburg), tja und spätestens
dann kam die Hitze: Ich übertreib sicher nicht, aber es waren so ca. 30-35
Grad. Fredl hatte für kurze Zeit dann auch Probleme mit seiner Leiste, aber
zum Glück haben die sich wieder gelegt (wir werden sie einfach betäuben
müssen, denke ich).

Vor Villfranco del Bierzo
Weiter ging es über Cacabelos (wo wir einen Linzer getroffen haben, einen
etwas festeren Typ, der auch schon ein wenig streng gerochen hat, weil wir
waren es sicher noch nicht, der gerade die Mittagspause um ein paar Stunden
verlängert hat). In dem ausgesprochen hübschen Ort Villafranca del Bierzo
haben wir dann noch einmal essens- und trinkmäßig aufgetankt und dann kam
der Mann mit dem Hammer: Weil wir ja so harte Hunde sind (ja ja), haben wir
uns für den Camino Duro (den harten Weg) entschieden anstatt entlang der
Strasse zu laufen, was heißt, dass es zuerst über 1 Stunde bergauf ging und
anschließend haben wir uns dann verlaufen. Tja und dann ist mir auch noch
das Wasser ausgegangen und ich bin wieder einmal in der Nähe meiner Grenzen
gewesen. Finalmente: Ende gut, alles gut, denn nun sind wir in Trabadelo,
frisch geduscht, haben bereits ein Bier genossen und demnächst gibt es
Abendessen.

Endlich geschafft!
Lehren daraus: Wir müssen
wirklich etwas kürzere Etappen und vielleicht ein paar Pausen mehr machen.
Das Positive: Auch wenn es einem
nicht so gut geht, ist es - so blöd das klingt - immer noch ganz super und
eine Erfahrung wert, seine Grenzen zu spüren und auch zu merken, was der
Camino mit einem macht, nämlich auf alle Fälle sie Sinne zu schärfen.
Morgen wartet mit dem O Cebreiro
wieder ein Pass auf uns (zum Glück gleich bald am Vormittag) und nach 52 km
soll dann wirklich Schluss sein (vielleicht auch schon früher, mal sehen)
P.S.:
Eure Rückmeldungen bauen wirklich irre auf, das muss ich auch einmal sagen!
Mir taugt das total, auch wenn ich dem Fredl immer ein Bier zahlen muss,
weil der noch mehr Mails kriegt.
P.P.S:
Fotos gibt es erst wieder morgen (wahrscheinlich), weil die hier keine
Anschlüsse haben.
Saludos
Richard
Samstag, 5. Juni - Triacestela - km 152
Queridos amigos,
jeder Tag hat seinen eigenen
Höhepunkt: Nach dem Cruz de Ferro am ersten Tag, dem Camino Duro gestern war
es heute der Aufstieg zum O Cebreiro.
Doch wieder der Reihe nach:

Am O Cebreiro
Nachdem wir uns gestern am Abend
von den Strapazen doch noch halbwegs erholt haben (viel Wasser, ein
Bierchen, ein Pilgermenue und 1-2 Achterl sei Dank!), sind wir heute schon
um 6:45 aus der Herberge weg (ich hab so schnell wie noch nie gepackt, Fredl
hats gefreut) und zuerst ein paar km neben der Landesstrasse gelaufen. Bei
km 10 ca. begann dann der erste Aufstieg nach La Faba, einem winzigen Dorf
mitten im "Nirgendwo", wo schon das heiß ersehnte Frühstück (2 cafes con
leche y un bocadillo) direkt auf uns gewartet hat.

Und dann kam der Nebel!
Derart gestärkt hat mir dann der
weitere Anstieg auf den Berg O Cebreiro (immerhin 1350 m hoch) gar nicht so
viel ausgemacht; an laufen ist da ohnedies nicht zu denken, wir wandern da
halt mit forschem Schritt). Die Aussicht war grandios und auch die (noch
kleineren) Dörfer waren echt schön. Oben angekommen dann ein echtes
Naturschauspiel: Auf der einen Seite des Berges immer noch Sonne und auf der
anderen eine riesige Nebelwolke, einfach super!
Tja, und dann waren da noch 2 weitere Pässe, über die wir drüber mussten,
will heißen wieder wandern statt laufen.

Am Alto de San Roque
Fredl ist es heute nicht so ganz
gut gegangen (schlapp und müde), weshalb wir beschlossen haben - auch mit
der gestrigen Erfahrung - schon früher Schluss zu machen. So sind wir eben
in Triacastela gelandet, können uns hier ganz gut ausrasten (schöne
Herberge).
Wir sind immer noch ganz gut im Plan, sodass Santiago auf alle Fälle klappen
sollte, möglicherweise sogar Finisterre und /oder Muxia.
Hasta luego
Richard
P.S.:
Weil ich das bisher noch gar nicht geschrieben hab: Auch wenn das Ganze zum
Teil sehr anstrengend ist, empfinde ich es trotzdem so, dass ich hier Urlaub
mache, indem ich einfach mein Hobby ausübe, und das noch mit einem guten
Freund.
Montag morgen, 7. Juni - Palas de Rai - km 217
Queridos amigos,
eine Nachlese noch zu
vorgestern:
Als Kind hab ich immer daran geglaubt, nämlich an das Schlaraffenland, aber
dass ich es hier am Camino (ich geb es ja eh zu, auch zu Hause gibt es
eines) wieder finde, hätte ich nicht gedacht: Nach gemütlichen 40 km kommen
wir schon um 14:00 an, verleiben uns ein Pilgermenue ein, rollen in die
Herberge, schlafen eine Runde, schauen ein wenig ins Internet, spazieren
eine Runde durch den Ort, schlummern wieder eine Runde, am Abend dann noch
ein Pilgermenue, dann rollen wir wieder in die Herberge und schlafen bis
nächsten Tag, einfach herrlich!!

Auf nach Galizien
Nachdem wir aber dann doch noch
bis Finisterre wollen, haben wir die Schlaraffen wieder verlassen und sind
gestern zu unserer 4. Etappe aufgebrochen. Das Wetter war zuerst sehr
bescheiden, will heißen bedeckt und kuehl, und dann gab es da wieder den
galizischen Nebel, ein ganz tolles Schauspiel mit dieser Nebelmaschine. Über
Sarria ging es dann nach Portomarin, ein hübsches Dorf an einem Stausee (das
alte Dorf wurde in den 60ern geflutet und nur die beiden Kirchen Ziegelstein
für Ziegelstein ab- bzw. wieder aufgebaut). Dort hatten wir dann 40 km
geschafft und die Schlaraffen haben schon wieder gerufen, aber wir sind
standhaft (oder blöd?) gewesen und haben noch 13 km angehängt, um in
Hospital la Cruz zu bleiben (leider dort kein Internet, deshalb jetzt nach
dem Frühstück).

In Portomarin
Es geht uns immer noch ganz gut und morgen sollten wir auf alle Faelle in
Santiago eintreffen (ich darf gar nicht zu viel daran denken, denn sonst bin
ich schon wieder so gerührt, dass ich bald nicht mehr laufen kann).
Wie es derzeit aussieht, werden wir auch noch bis Finisterre kommen, und
dann am Do nachmittag mit dem Bus wieder nach Santiago zurückfahren).
Den Fr hätten wir dann noch zum Bummeln und auch die Pilgermesse wollen wir
uns anschauen (ja, tatsächlich!).

Mitten im Wald
Mal sehen, wo wir heute Abend landen. Wenn es dort Internet & USB-Anschluss
gibt, werde ich auch wieder ein (verkleinertes) Foto schicken.
Saludos
Richard
Montag abend, 7. Juni - Arzúa - km 248
Bienvenidos a todos,
manchmal kommt es anders als man denkt: Eigentlich wollten wir ja heute noch
bis Santa Irene laufen (heißt noch 19 km mehr), aber kurz vor Arzúa (bei
einer Tortilla española bzw. einem ensalada und 2 Bier) haben wir
umdisponiert.

Vor Palas de Rei!
Für Fredl war es heute ziemlich zäh (auch ein wenig Probleme
mit Knie, Leiste und Vorfuß, aber nichts Weltbewegendes) - er ist ja auch
ein Jahr älter geworden seit dem Vorjahr -, sodass wir folgende genialische
Idee hatten: Wir bleiben in Arzúa (Vorteil: Schlaraffenetappe und auch
danach nämlich nur wenige Herbergen), laufen morgen die restlichen 42 km
(unser persönlicher Santiago-Marathon) eben bis Santiago, schlafen dort im
selben Hotel, das wir schon von unserer Ankunft kennen und können dann
frisch und munter und auch gut riechend nach Finisterre aufbrechen.

Nur noch 100 km
Das geht sich dann gut aus, denn
nach einer noch längeren Etappe von 56 km wartet dann am Donnerstag nur mehr
eine kurze von 30 km; dann haben wir auch noch etwas Zeit, den Ort und das
Kap Finisterre anzuschauen, bevor wir mit dem Bus am Nachmittag nach
Santiago zurückfahren. Klingt doch super, oder?
Heute sind wir nach dem Frühstück in Palas de Rei durch viele kleine Dörfer
gelaufen, was viel netter ist als neben der Strasse dahinzuhirschen.
Was auch ganz super ist, sind die vielen Hohlwege und Eukalyptuswälder,
durch die wir laufen, weil es da riecht wie in einer Kräuterhandlung.
Ein weiteres Highlight war sicherlich der Kilometerstein 50, weil ab jetzt
schon wirklich alles abschätzbar ist.

Kurz vor Sarria
Natürlich werden wir heute noch
ein Pilgermenue verputzen (ist ja wieder Schlaraff) und vielleicht sogar uns
zu einem Bierchen hinreißen lassen; verwegen, oder?
Ich freu mich schon riesig auf morgen und unsere Ankunft in Santiago.
Einen Bericht und Bilder sollte es auf alle Fälle morgen Abend geben.
Haltet uns die Daumen, dass morgen alles glatt geht.
Saludos
Richard
Dienstag, 8. Juni - Santiago di Compostela -km 287
Queridos amigos,
wir haben es nun tatsächlich
geschafft und sind vor ca. 5 Stunden in Santiago auf dem Platz vor der
Kathedrale angekommen. Es heißt ja, dass jeder in Santiago den Empfang
bekommt, den er verdient. Na ja, bei uns hat es ziemlich stark geregnet; was
kann man jetzt da hineininterpretieren?

Nur noch 30 km
Vielleicht ein wildes Wetter für
unser etwas "wildes" Vorhaben oder harte Bedingungen für die angeblich
"harten Hunde"? Egal. Es war schon ein wirklich überwältigendes Gefühl,
dann auf diesem Platz zu stehen und zu wissen (realisiert habe ich es eh
noch immer nicht ganz), dass man ein großes Ziel erreicht hat.

Endlich am Ziel in Santiago di Compostela
Mittlerweile sind wir frisch
geduscht (war schon ueberfällig, nicht nur nach der Regenetappe), haben
schon mit einer "Caña", einem Glas Bier, in einer urigen Bar angestoßen,
sind nach einem kurzen Schläfchen schon wieder ganz gut regeneriert und
haben vor kurzem die "Compostela", also die Pilgerurkunde erhalten. Dort gab
es dann sogar ein kleines bis mittleres Problem, weil wir - ehrlich wie wir
sind - angegeben haben, dass das Motiv für unser Vorhaben eine Mischung aus
sportlicher Herausforderung und der Absicht, was der Camino denn mit einem
selber macht, war (aus unserer "Credencial", also dem Stempelbuch hat man
klarerweise erkennen können, dass wir nur 6 Tage von Hospital de Órbigo bis
Santiago unterwegs waren).

In Ceé
Diese Motive sind nämlich nicht vorgesehen, also
hat die Dame ihre Vorgesetzte gefragt und mir ist wirklich schon ein
bisschen bange geworden, was denn da noch so kommt. Letztendlich hat sie uns
aber die Urkunde ausgestellt und auf meine Frage, ob es denn Probleme
gegeben hätte, geantwortet, dass sie bei rein sportlichen Gründen keine Compostela ausstellen, weil man das ja auch woanders machen kann. Verstehe
ich durchaus, und es ist ja auch nicht nur der Sport, warum wir das alles
gemacht haben.

Unser Motto am Camino
Die Pilgerschar ist
im Laufe des Tages natürlich ziemlich angestiegen, was aber auch klar ist,
je näher es Santiago zu geht.
Was auch noch passiert ist: Ich habe mich verliebt!! Und zwar in die vielen
kleinen Eukalyptuswäldchen, die wir in den letzten Tagen passiert haben.
Dort riecht es soooo gut, dass ich immer glaube, auch wir selber riechen so,
wobei es eher so sein wird, dass wir den herben Geruch des Linzers
angenommen haben, den wir vor 3 oder 4 Tagen in der Mittagshitze getroffen
haben.
Na ja, ich muss halt dann
zuhause irgendwie schauen, dass ich zu einem Eukalyptusduft komme, irgendwo
wird es schon einen geben.

Platz vor der Kathedrale von Santiago
Morgen geht es dann Richtung Finisterra weiter (wettermäßig schaut es leider
nicht so gut aus), das wir am Donnerstag Mittag erreichen wollen.
Am Do später Nachmittag erreichen wir hoffentlich dann den Bus zurück nach
Santiago, dann haben wir noch den ganzen Freitag zum Bummeln und auch zum
Besuch der Pilgermesse (immer noch).
Gesundheitlich geht es mir total super, ich hab bisher überhaupt keine
Probleme gehabt, außer halt schwere Füße und ein wenig Rückenweh vom
Rucksack (vielleicht macht einen der Camino ja auch jünger?). Fredl hat
seine Leisten- und Knieprobleme auch ganz gut im Griff, sodass wir es bis
Finisterre wirklich noch schaffen sollten.

So sehen also Pilger aus!
Mal sehen, in welcher "albergue" wir morgen landen und ob es dort Internet
für einen nächsten Bericht gibt.
Danke noch einmal an alle, die uns die Daumen gehalten haben und danke auch
für die vielen Mails, die Ihr mir auf meine Berichte zurück geschrieben habt
(Euer Beitrag ist da sicherlich ein ganz beträchtlicher!).
Saludos y hasta luego
Richard
Donnerstag, 10. Juni -
Zugabe
Queridos amigos,
ein letztes Mal also von Spanien
aus (einen Bericht gibt es dann natürlich noch von zu Hause):
Wir sind mittlerweile schon
wieder in Santiago (das dritte Mal nun in 10 Tagen) und wir fühlen uns schon
fast wie 2 Einheimische (dasselbe Lokal beim Essen, später dann dieselbe Bar
für die Tapas usw.), aber wieder einmal ist es anders gekommen als wir
geplant hatten:

Keine Lust zu baden.
Gestern sind wir wirklich brav
um 07:00 aufgebrochen (es hat ziemlich geregnet, also nix mehr Schlaraff &
Co) und die ersten km waren auch ganz schön, ähnlich dem Weg nach Santiago,
also wieder geliebter Eukalyptus usw. Die Infrastruktur hat merklich
nachgelassen, was wir insofern zu spüren bekamen, als wir erst nach ca. 20
km eine offene Bar zum Frühstücken gefunden haben. Na ja, und da auch der
Regen nicht nachgelassen hat und wir ja unser Ziel schon erreicht haben, war
irgendwie die Luft draußen. Dann kam noch dazu, dass die Etappe eben wieder
einmal relativ lang gewesen wäre (56 km). Lange Rede kurzer Sinn: Wir haben
wieder einmal umgeplant! Von Negreira (25 km von Santiago) wollten wir dann
ein Stück mit dem Bus bis Cée fahren (das liegt schon am Atlantik) und von
dort dann am nächsten Tag noch die restlichen 15 km ans Kap laufen. Blöd
nur, dass es von Negreira keinen Bus nach Cée gibt! Also wieder umplanen,
will heißen per Bus retour nach Santiago (vorher noch 1 Belohnungsseiterl
für all die Super-Ideen) und dann nach Cée.

Meer in Sicht!
Jetzt die Frage: Sind die harten Hunde und Bezwinger des "Camino duro" nun
zu Warmduschern geworden? Gott sei Dank, denn kalt duschen ist eh nicht das
unsere, außerdem sind wir ja vernünftig geworden und haben ja Urlaub. Also
haben wir das beschauliche Leben des kleinen Küstendorfes Cée genossen, sind
ein wenig am Strand spazieren gewesen und haben uns mit einem guten Essen
und einem Achterl wieder einmal selbst belohnt (sehr gescheit, was?) Heute
morgen haben wir dann unser Schaulaufen bis Finisterre wirklich noch
veranstaltet; leider waren halt nicht so viele Zuschauer unterwegs, macht
aber auch nichts.

Finisterre
Das Wetter war wie in den
letzten Tagen wieder einmal sehr bescheiden, leichter Regen halt. Und ob Ihr
es glaubt oder nicht: Als wir zum Kap gekommen sind, hat es aufgerissen und
die Sonne hat uns dort draußen am Ende der Welt begrüßt (so kriegt also doch
noch jeder den Empfang den er verdient).
Als wir kurz vor dem Kap waren,
ist es mir wieder so gegangen wie schon einige Mal hier am Camino: Ich bin
in diesem Moment dann so gerührt, dass ich einen dicken Frosch im Hals
bekomme und sich die Augen mit Tränen füllen. Dann fühl ich mich
gleichzeitig so erhaben aber auch wie ein kleines Sandkorn, bin gleichzeitig
demütig aber auch mächtig stolz. Natürlich haben wir noch ein Fotoshooting
veranstaltet, bevor wir wieder zurückgelaufen sind in den Ort Finisterre.

Am Kap

Na ja, heute werden wir es uns
noch ganz gut gehen lassen, ein bisschen flanieren noch und in eine
Latino-Bar müssen wir auch noch (Ihr seht, wir haben noch einiges vor).
Saludos y abrazos
Richard
Sonntag, 20. Juni -
Heimat
Liebe Freunde,
ein wirklich letztes Mal nun zu
unserem Jakobsweg 2010 (und mit dem Abstand von einer Woche):
Es war absolut super!
Damit ist eigentlich schon alles
gesagt. Na ja, ein wenig genauer geht es schon noch: Natürlich war es heuer
nicht mehr DAS Abenteuer, da vom letzten Jahr schon Vieles bekannt war und
sich auch der Camino in einem Jahr nicht allzu verändert. Heuer haben wir
aus den "Fehlern" des Vorjahres gelernt (selbst in unserem Alter ist man
noch lernfähig!), haben die Etappen etwas verkürzt und somit viel mehr
Urlaubsgefühl verspürt.

Verlockung, länger zu bleiben!
Was gleich geblieben ist, sind
die vielen tollen Eindrücke und Highlights: Das Sitzen unter einem
Holunderbaum in der Herberge am Tag 0, das Gefühl am Cruz de Ferro, die
"Leiden" bei 35 Grad am Camino Duro, der Aufstieg zum O Cebreiro am 3. Tag,
der plötzliche Einfall von Nebel, der alles in Geistehand zu tauchen
scheint, der Kilometerstein 100, die vielen kleinen Dörfer und
Eukalyptuswälder, der Einlauf in Santiago, das Kap Finisterre im
Sonnenschein, ein Bierchen mit Fredl, dem alten Haudegen und wirklichen
Freund usw.
Damit wir jetzt nicht in ein Motivationsloch fallen (ich kenn das nach einem
Marathon), sind wir schon dabei, unsere Fotos und Videoaufnahmen zu sichten
und auszuwerten. Mal sehen, was wir zusammenstellen können. Ein Vortrag im
Herbst sollte sich auf alle Fälle ausgehen (wenn es so weit ist, werd ich
Euch natürlich informieren).

Hier gehts lang!
Was bleibt ist sicherlich für
uns die Tatsache, im sportlichen Bereich das bisher Tollste gemacht zu
haben. Ein Nebeneffekt war jedoch auch der, dass der Camino die Sinne
schärft und einem eine gewisse Gelassenheit - ich meine nicht
Gleichgültigkeit - zukommen lässt, die mitunter gar nicht so schlecht ist.
Und das restliche Jahr 2010? Nachdem wir ja erst/schon Juni haben, gibt es
für den Herbst natürlich schon Pläne: Ein 100 km-Lauf (68 Runden à 1,47 km)
wär einmal etwas ganz anderes...
Wie auch immer: Ich wünsche Euch allen einen schönen Sommer und danke noch
einmal all jenen, die uns in der einen oder anderen Form unterstützt haben!
Liebe Grüße
Richard

Wegweiser
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