In den vergangenen Tagen erreichten mich immer wieder Mails:
Richard_am_Jakobsweg war der Absender. Was liegt näher, als diese
"hautnahen" Reiseberichte und vor allem wunderschönen Bilder zu
veröffentlichen?
Zur Fortsetzung 2010
Samstag, 30.
Mai 2009 - Roncesvalles - km 28

Kastillien
Liebe Freunde,
der Jakobsweg ist eröffnet:
Nach einem ganz normalen Flug
von München über Madrid nach Pamplona gibt es gleich die erste Überraschung:
Unsere Rucksäcke sind nicht da!!
Was tun?
Wir beschließen, doch zum
Startpunkt nach St. Jean zu fahren und hoffen seitdem, dass unser Gepäck
irgendwann ankommt. Über die Berge ist es zwar einfacher, nur mit unserem
Hüfttascherl zu wandern und zu laufen, aber
trotzdem
hätten wir die Rucksäcke doch gerne wieder.
Iberia ist bisher nicht einmal
in der Lage uns zu sagen, wo denn das Gepäck liegt. Wir haben über unser
Reisebüro in Schwarzach mittlerweile herausgefunden, dass es in München
weggegangen ist und wahrscheinlich irgendwo in Madrid liegt.
So werden wir also demnächst zum
7. Mal anrufen und nachfragen, doch ziemlich ärgerlich.
Die Pyrenäen haben wir schon
überquert, was sehr eindrucksvoll war. Mit dem Laufen war es bisher nicht so
weit her, da es ja fast immer bergauf ging.
Jetzt geht es weiter in Richtung
Zubiri, wo wir dann ca. 50 km hätten; mal sehen, ob wir das heute noch
schaffen.
Richard
Auf der Via Aquitana
Sonntag, 31. Mai 2009 -
Estella - km 114
Liebe Freunde,
Unglaublich, aber wahr: Nach ca.
10 Telefonaten mit Iberia gibt es eine Nachricht wegen unserer Rucksäcke:
Wir sind nicht die einzigen (wie tröstlich), denen das Gepäck fehlt, ca. 20
Gepäckstücke, alle von München (eh klar), sind verloren gegangen.
Die neueste Neuigkeit: Um 17:00
am Samstag kommt angeblich alles an und es wird sogar zugestellt; wir sind
inzwischen in Zubiri (bei km 48) und warten halt. Nach weiteren 5 Anrufen
bei Iberia endlich die Erlösung: Die Rucksäcke sind tatsächlich da und um
20:00 werden sie auch zugestellt.
So intensiv haben wir, glaube
ich, noch nie auf etwas gewartet; seitdem nehmen wir die Rucksäcke überall
hin mit, sogar zum Duschen, na ja, fast halt.

Aufstieg zum Alto del Perdòn
Mit 2 Bier stoßen wir auf den
verzögerten Beginn unserer Reise an und fühlen uns wie neugeboren, so blöd
das auch klingt.
Am Sonntag geht es wieder um
6:30 los, an Schlafen ist ohnedies nicht mehr zu denken, da alles aufbricht.
Wir kommen ganz gut voran, in
der Früh hat es noch angenehme 15 Grad. Über Pamplona geht es - wieder
einmal - bergauf über den Alto del Perdon und nach einer ausgiebigen Rast in
Obanos schaffen wir es tatsächlich bis Estella, was heißt, dass wir heute
ca. 68 km gelaufen und natürlich auch gegangen sind. Wir sind zwar ziemlich
k.o., aber trotzdem freuen wir uns schon auf die morgige Etappe.
Liebe Grüße
Richard
Dienstag, 2. Juni 2009
- Santo Domingo de la Calzada - km 210
Liebe Freunde,
heute haben wir den 200er
passiert. Es geht uns noch immer ganz gut und wir sehen auch noch halbwegs
frisch aus (zumindest reden wir uns das heftig ein).

Santo do Mingo de la Calzada
Die Temperatur gestern am
Nachmittag war natürlich wieder ca. 30 Grad, aber wir erwarten ohnedies
nichts Anderes.
Gestern Mittag habe ich, so
denke ich jedenfalls, zu Mittag etwas zuviel gegessen, was zur Folge hatte,
dass ich den Nachmittag mit einigem an Magenweh zu kämpfen hatte.
Aber nach einer Dusche in der
Herberge und einem Abendbier ist alles wieder gut.
Über Nacht arbeiten auch die
Heinzelmännchen wie verrückt, sodass wir am Morgen wieder halbwegs lockere
Beine haben.
Heute geht es noch ca. 25 km
weiter, sodass wir morgen dann schon Burgos erreichen werden.

Burgos
Wir sind voll im Plan und freuen
uns schon auf die nächsten Tage.
Richard
Donnerstag, 4. Juni
2009 - Boadilla del Camino - km 355
Hallo Österreich (+ Freilassing,
na ja, gehört ja ohnedies beinahe zu Osterreich)!
Heute (6. Tag) sind wir von
Burgos (eine sehr schöne Stadt, so weit wir das überhaupt beurteilen können)
gestartet und auch ganz gut vorangekommen, wahrscheinlich, weil es doch ein
bisschen weniger heiß war als die letzten Tage (statt 33 Grad eben nur 28).

Eine typische Bar
Wir haben mittlerweile auch
einen ganz guten Rhythmus gefunden: Ca. um 6:45 geht es bereits los, ohne
Frühstück vorerst, das gibt es nämlich erst als eine Art Belohnung nach ca.
1,5 Std. Laufen. Dos cafes con leche y dos bocadillos dürfen es dann schon
sein, damit wir wieder zufrieden sind.
In der Früh bzw. am Vormittag zu
laufen ist übrigens immer das Schönste, da ist alles noch so friedlich, auch
die Farben sind am Schönsten, und wir sind am Aufnahmefähigsten, was das
ganze Rundherum betrifft.
So gegen 13:00 ist dann eine
lange Mittagspause angesagt (mit Essen und meist mit einem Bierchen), da
haben wir dann meist schon so 40 km geschafft.

Bei 35 Grad
Am Nachmittag kommt dann noch
das harte Stück, auch wenn es nur mehr so ca. 20 km sind, aber erstens ist
es meist wirklich irrsinnig heiß und zweitens laufen wir die letzten km dann
schon ein wenig am "Zahnfleisch".
ABER: Nach einer Dusche in der
Herberge (das funktioniert übrigens sehr gut und bis jetzt haben wir immer
gleich etwas gefunden) und einem weiteren Bierchen sieht die Welt dann doch
wieder anders aus.
Zum Abendessen dann noch ein "Menú
del peregrino", also ein Pilgermenue und wir schlafen wie die Könige.
Tja, so sieht also unser
"Stundenplan" aus.
Die Füße sind natürlich schon
etwas mitgenommen, aber klagen können wir nicht. Fredl zwickt ein wenig die
Wade und ich habe auf der Schulter eine aufgescheuerte Stelle, aber alles
halb so wild.
Das mit neuen Fotos wird noch
ein wenig dauern, weil dieser Computer, wo ich soeben schreibe, zu langsam
ist.
Bis bald!
Richard
P.s.: All jene, die mir zurück
geschrieben haben: Super, super, das freut mich wirklich sehr! Da hab ich
gleich das Gefühl, wir laufen in einer großen Gruppe...

Blick auf Astorga
Sonntag, 7. Juni 2009 -
Hospital de Orbigo - km 513
Liebe Freunde,
Drei sehr anstrengende Tage
liegen nun hinter uns:
In der Meseta, der spanischen
Hochebene, hatten wir zuerst 2 Etappen lang mit extrem viel Wind zu kämpfen,
eine Etappe lang von vorne, die zweite dann von der Seite. Von den
Temperaturen her war es zwar angenehm zu laufen, aber der Wind macht einen
ordentlich fertig. Das zweite Auffallende waren die ganz langen Geraden,
wirklich kilometerweise, und zum Teil parallel von Bundes- oder
Landesstraßen.
Wir sind wirklich froh, dass wir
das nun hinter uns haben, denn ab nun soll die Landschaft wieder grüner und
abwechslungsreicher werden.
Der Vorteil von dem bescheidenen
Wetter in den letzten Tagen war, vor allem in der Früh, die tollen Farben
und die Licht- und Schattenspiele.
Ein paar Regengüsse haben wir
natürlich auch schon abbekommen, aber das war nicht so tragisch.
Was momentan wirklich eher
tragisch ist, das sind die Schienbeine von Fredl, die schmerzen anscheinend
ziemlich. Derzeit ist noch gar nicht sicher, wie wir weitermachen; morgen in
der Früh wird sich einiges entscheiden.
Mir
persönlich geht es ganz gut, abgesehen von ein paar Blasen und gelegentlich
eine etwas schmerzende rechte Schulter, aber alles halb so wild.
Hier in Hospital de Órbigo
findet gerade ein Mittelalter-Fest statt; es ist ganz nett, da ein wenig
durchzuschlendern.
Unsere Stimmung ist natürlich
wegen Fredls Schienbeinen doch etwas getrübt, aber demnächst werden wir auf
ein Bier gehen und dann geht es uns hoffentlich doch wieder besser.
Es bleiben also noch 287 km für
die letzten 6 Tage, das wäre eigentlich locker zu schaffen, wenn es nicht
diese Probleme gäbe.
Ich werde Euch weiterhin am
Laufenden halten.
Liebe Gruesse
Richard
Osbital del Órbigo
P.S.:
Unter salzburg.com/reisen kann
unsere Reise auch nachverfolgt werden; die Salzburger Nachrichten arbeiten
da ganz brav und fleissig.
Dienstag, 9. Juni 2009
- Santiago - km 800, aber: Aus und Vorbei
Liebe Freunde,
wir sind jetzt zwar in Santiago,
aber leider nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben: Wir fliegen heute
noch heim!
Leider haben sich die
Schienbein-Probleme von Fredl seit Hospital de Orbigo noch verschlimmert, an
ein Laufen war überhaupt nicht mehr zu denken, auch das Gehen ist immer
mühsamer geworden. Zuerst haben wir noch überlegt, ein Stück mit dem Bus zu
fahren und die l etzten
100 km zu Fuß zu gehen, aber auch das wäre letztendlich zu viel gewesen, der
Fredl kann kaum noch hatschen.
So haben wir uns also
durchgerungen aufzuhören, bevor die Fußprobleme eventuell noch schlimmer
werden.
Natürlich ist die Enttäuschung
riesig, aber eigentlich überwiegt jetzt schon die Freude über die 9
gelaufenen tage und die vielen tollen Erlebnisse.
Was auf alle Fälle klar ist, ist
die Tatsache, dass wir nächstes Jahr den Jakobsweg fertig laufen werden und
dort beginnen, wo wir aufhören mussten.
Ich werde jetzt sicher 1-2 tage
brauchen, damit ich alles verarbeiten kann und dann werde ich noch ein
letztes Mail an Euch schreiben (auch noch mit ein paar Fotos).
Bis demnächst!
Richard

Farbenspiel am Morgen
Donnerstag, 11. Juni
2009 - Jakobsweg - 2 Tage danach
Liebe Freunde,
2 Tage nach unserer Rückkehr und
mit ebenso vielen (eigentlich wenigen) Tagen Abstand versuche ich, sofern
das überhaupt möglich ist, ein vorläufiges Resumee:
Es war nicht nur vernünftig
sondern absolut richtig, unser Abenteuer abzubrechen, denn an ein Laufen
oder auch nur ein halbwegs vernünftiges Gehen ist bei Fredl noch einige Zeit
nicht zu denken; es ist zwar anscheinend nichts Tragisches passiert, aber
eine sehr schmerzhafte Entzündung im Schienbeinbereich fordert einfach
einige Tage Ruhe. Seine Füße haben ja zuletzt fast schon jenen von Elefanten
geglichen.
Dass wir uns nicht unterkriegen
lassen, beweist die Tatsache, dass wir bereits am Tag unseres Abbruchs
beschlossen haben, nächstes Jahr eben in Hospital de Órbigo wieder zu
starten, möglicherweise genau an jenem Wochenende, an dem wieder das
Mittelalterfest stattfindet; und vielleicht übernachten wir dann auch genau
in der gleichen Herberge.
Natürlich kann man jetzt
spekulieren, ob eventuell ein etwas geringerer Tageskilometerschnitt uns
weiter gebracht hätte oder ob ein sorgfältiges Dehnen am Ende des Tages
einen Abbruch verhindern hätte können. Wir wissen es nicht und werden es
auch nicht herausfinden; gedacht hatten wir jedenfalls, dass nach 8-9 Tagen
unser Körper schon so darauf eingestellt ist, keine Mätzchen mehr zu machen
und eben Probleme nur in der ersten Woche auftreten würden.

Navarrete
Auf alle Fälle ist bei mir (und
ich denke auch bei Fredl) die Enttäuschung über das "Scheitern" längst einer
Freude über das Erreichte gewichen.
Einige berührende
Momente im Telegrammstil:
-
die
Freude über die wieder erhaltenen Rucksäcke
-
ein
Frühstück als Belohnung
-
ein
Runners-High bei 35 Grad in der Sonne und kurz darauf ein
Tiefpunkt, weil das Etappenziel einfach nicht näher rückt
-
eine
Gruppe transportiert einen geistig und körperlich
Behinderten mit einem selbstgebauten Zweirad
-
die
Ruhe und die Farbenspiele der Landschaft am Morgen
-
der
Genuss, frisches Wasser zu trinken und den Kopf bei einer
Quelle abzukühlen
-
etc.
etc.
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León
Was der Jakobsweg mit mir
gemacht hat? Er hat mich hoffentlich ein wenig geduldiger und in manchen
Dingen gelassener (nicht zu verwechseln mit gleichgültiger) werden lassen
und dafür gesorgt, dass ich noch lange von diesen Erlebnissen und Eindrücken
zehren kann. Er hat gezeigt, dass ich offenbar eine neue Freundschaft fürs
Leben geschlossen habe und bewiesen, dass Laufen trotz aller Strapazen sogar
noch Spaß machen kann.
Danken möchte ich natürlich den
Sponsoren Sport Eybl und Laufsport Tassani, selbstverständlich auch den
Medien (allen voran den Salzburger Nachrichten, aber auch dem Stadtblatt/den
Bezirksblättern) und klarerweise auch all jenen, die dieses Projekt in der
einen oder anderen Form unterstützt haben.
Jetzt lassen wir erst einmal den
Sommer ins Land ziehen, aber dann werden wir schon wieder die Pläne für 2010
machen!
Eine Fortsetzung gibt es also!
Richard Pirngruber
Über
Richard:
Richard traf ich im vergangenen Jahr beim heftigen
Schlussanstieg des Kaisermarathons. Gemeinsam liefen wir über
die Ziellinie. Wenige Wochen später gab es ein Wiedersehen beim
Albmarathon. Und irgendwie bleiben Lauffreunde eben in Kontakt. |
Zur Fortsetzung 2010 |