
6 Stunden-Lauf in Troisdorf 2007 |
Wer mich kennt, weiß dass ich mir
meine Läufe sorgfältig auswähle. Die kleinen Veranstaltungen auf
landschaftlich reizvollen Strecken reizen mich. Berlin, Hamburg oder New
York treiben mir dafür klaustrophobische Schauer über den Rücken. Dafür war
ich dieses Jahr in Graubünden, im Chiemgau oder in Galtür, alles naturnahe
Bergläufe.
Was um Alles in der Welt treibt
jemanden dann dazu, auf einer 2,5 km langen Strecke zu kreisen und das über
6 Stunden lang? Noch dazu bei den vorhergesagten Witterungsbedingungen. Für
den 11.11.2007 ist rund um Köln zum Glück nur vormittags schwacher
Dauerregen prognostiziert. Gegen Mittag soll das Wetter sich ändern, hin zum
heftigen Dauerregen. Somit sind es starke Motive, die mich nach Troisdorf
locken:
Da wären die Stunde Eins
und Zwei!
Beim Einlaufen in den ersten beiden
Stunden bietet sich im noch dichten Läuferfeld die perfekte Gelegenheit,
Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Überall wird eifrig geplappert über
vergangene und künftige Wettkämpfe. Man kennt sich in der 6-Stunden-Szene.
Die Gesichter sind oft dieselben und man freut sich, Freunde wieder zu
treffen.
In der Mitte Stunde Drei und Vier!
Es wird ruhig im Feld. Die Läufer
kehren in sich. Ich versuche dann stets „meine Mitte“ zu finden, in Ruhe und
Gleichmäßigkeit meine Runden abzuspulen. Du quittierst Rundengewinne/-verluste
mit einem kurzen Gespräch über die heute gute oder eben schlechte Form.
Und dann noch Stunde Fünf und
Sechs!
Die Positionen manifestieren sich.
Es geht hier und da um kleinere Positionsverschiebungen. Überrundungen
werden höchstens noch mit einem anerkennenden Nicken quittiert. Es wird um
die Meter gefightet. Glücklich ist, wer bis zu diesem Zeitpunkt noch bis 30
zählen kann. Lacht nicht! Irgendwann stellen sich alle die Frage, ob sie nun
in der 17. Runde sind oder diese gerade eben absolviert haben!
Und zu guter letzt … das
Ziel!
Der wichtigste Grund, einen
6-Stunden-Lauf zu absolvieren. Jeder ist garantiert zeitgleich mit dem
Sieger. Jeder hat die Chance, mit dem Sieger unter der Dusche zu stehen und
die Siegerehrung verpasst auch Niemand. Hier passiert es nicht, dass Du in
dem Augenblick das Ziel erreichst, wenn der Sieger gerade frisch geduscht
vom Siegertreppchen steigt.
Doch nun zum eigentlichen
Lauf:
140 Narren und 45 Närrinnen, dazu 23
närrische Staffeln, bestehend aus je 5 Läufern oder Läuferinnen, stehen am
11.11.2007 pünktlich um 10:00 Uhr im Aggerstadion in Troisdorf zum Start
bereit. Nicht bereit ist jedoch die Organisation, da sich die Fa.
Mika-Timing mit der Zeitmessanlage verspätet. So werden wir zwar nicht erst
um 11:11 Uhr, aber doch um eine viertel Stunde verspätet auf die Strecke
geschickt, begleitet von einem Regenschauer, der sich genau zu diesem
Zeitpunkt über uns Läuferinnen und Läufer ergießt.
Augen zu und durch
Den schnellen Staffelläufern
folgend, verlassen auch wir Ultras das Stadion, um schon nach wenigen
hundert Metern die asphaltierte Straße zu verlassen. Wir biegen in einen
Feldweg ein und haben nun die Qual der Wahl, die zahlreichen Pfützen
entweder zu durchqueren, zu überspringen oder an der Seite zu passieren. Im
Verlauf der Runden erübrigen sich solche Überlegungen. Wegen der anhaltenden
Regenfälle heißt es bald nur noch: Augen zu und durch!
So schnell wie die erste Runde
vorbei geht, hat sich auch das Feld schon sortiert. Wie an einer lang
gezogenen Polonaise erreichen wir das Stadion, vorbei an der
Verpflegungsstelle, auf die Laufbahn, wenden in einer engen Kurve,
überqueren der Zeitmessanlage und schon schlängeln wir uns in die zweite
Runde, in die Dritte und in die jeweils Nächsten.
Wetterkapriolen
Wenn jemand glaubt, das würde mit
der Zeit langweilig, der irrt. Mal begleitet uns Regen, mal Hagel, mal sogar
Sonnenschein, der die Pfützen des Damms in eine einzige glitzernde
Spiegelfläche verwandelt. Und eine weitere Runde später ist plötzlich nichts
mehr vom Wasser auf dem Damm zu sehen. Die Organisatoren um Ulli Knab machen
sich die Mühe, alle Pfützen trocken zu fegen. Danke Ulli!
Leider hilft die Arbeit nur für eine
Runde, ein heftiger Schauer macht alle Mühen zunichte und unser Pfützen
hopsen beginnt von neuem.
Schön ist, dass durch die kurzen
Runden kaum einer unbemerkt bleibt. Ich entdecke gleich zwei Weltrekordler,
zum einen Wolfgang Schwerk, der in diesem Jahr u. a. die 1000 km-Marke
innerhalb von 6 Tagen knackte und Regina Vollbrecht, die in diesem Jahr
ihren eigenen Rekord unterbot. 3 Stunden 18 Minuten bedeutet
Weltbestleistung im Marathon für blinde Läuferinnen. Chapeaux!
Damen platzieren sich in
der Weltbestenliste
Und ich erlebe einen spannenden
Wettkampf in der Damenkonkurrenz. Zahlreiche Läuferinnen der nationalen
Spitzenklasse sind ja am Start. Und die Führende läuft seit einigen Runden
beharrlich neben mir. Sie ist klein und unbekannt, doch nicht für mich, da
aus Lauf a. d. Pegnitz kommend. Sylvia Wünsche sucht ihr Heil in der Flucht,
ständig attackiert von ihren Verfolgerinnen. Gemeinsam wehren wir zahlreiche
Angriffe ab und erobern uns so die Aufmerksamkeit des Stadionsprechers,
dessen Begeisterung kaum Grenzen kennt. Und Sylvias Engagement wird belohnt.
Mit knapp über 72 km erobert sie Platz 4 und gleichzeitig Platz 11 der
diesjährigen Weltbestenliste. Erst nach 4 Stunden werden wir von der
späteren Siegerin Simone Stöppler überholt, deren 74256 Meter Platz 3 der
Weltbestenliste bedeuten.
Gratulation an den Sieger
Jörg Hooß
Meine 6 Stunden enden mit einer
Punktlandung. 29 Runden und 107 Meter bedeuten zwar weder Sieg, den holt
sich Jörg Hooß mit 80827 m, noch Bestleistung, doch einen ausgezeichneten
Haltepunkt genau neben dem Eingang zur Umkleide. So muss ich nur kurz warten
und kann nach dem Vermessen meiner Restweite flugs unter der heißen Dusche
verschwinden. Es lösen sich Muskelschmerzen ebenso wie Dreckverkrustungen.
Sauber und schon etwas erholt gönne ich mir auch noch eine wohltuende
Massage, bevor ich zur Siegerehrung in der nahen Turnhalle gehe.
Dort werden wir wie jedes Jahr
günstig, doch sehr lecker verpflegt und ein Beamer wirft bereits die ersten
Impressionen vom Lauf an die Wand. Die kurze Zeit bis zu den Ehrungen
vergeht bei netten Gesprächen wie im Flug und ich bin einer der Letzten, der
die Halle verlässt.
Troisdorf 2008? Gerne
wieder!
zur Veranstalterhomepage:
M.U.Tler
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