
Die Herren Läufer – das
schwache Geschlecht

Das schwache Geschlecht und sein Hobby
Wochenende. Der Metropolmarathon in
Fürth steht an. Tolle Stimmung und beste Organisation sind garantiert.
Marathon in Fürth bedeutet Party pur – ein Läuferfest der ersten Güte.
Doch mir geht es gar nicht gut. Der Querläufer schlurft mit Elendsmiene
und im fleckigen Jogginganzug durch die Wohnung. Er fühlt sich zu
schwach, um sich einen Tee zu kochen. Seine gebrauchten Taschentücher
liegen wie bizarre Fabeltiere in der ganzen Wohnung herum. Die
Läuferfrau ist sich sicher: „Kranke Männer können die Nerven ihrer
Umgebung ganz schön strapazieren. Kranke Läufer sind wehleidig. Und Du
bist ein Hypochonder!“
Stimmt nicht! Ich schnäuze in mein Taschentuch. Mir geht es richtig
schlecht. Das habe ich in Google nachgeforscht. Leicht verstopfte Nase,
sagt sie. Ich kann kaum atmen, erwidere ich. Meine Symptome wurden durch
die Suchmaschine gejagt. Meine Schlussfolgerung: Es könnte sich um das
gefährliche Denguefieber handeln oder vielleicht doch um die
Schweinegrippe. Krächzen, husten und röcheln. Das ist alles was ich
kann. Sprechen ist fast unmöglich. Nur ein leichtes Flüstern kommt über
meine Lippen. Doch sie ist unerbärmlich in ihrem Urteil: „Unser
Wohnzimmer sieht aus wie eine Intensivstation.“ Ein Hauch von
Mentholgeruch umgibt mich. Das Pastillen- und Medikamentenlager ist
direkt auf dem Fernsehtisch aufgebaut. Mir ist kalt und warm zu gleich.
Als Aufmunterung läuft das Video vom Berlin-Marathon 2008. Mit Hailes
Fabelweltrekord. Gleichzeitig überlege ich, in welchem Kilometerschnitt
ich in Fürth laufe.
Aber das einzige was bei mir läuft, ist die Nase. Das ist kein
gewöhnlicher Schnupfen. Es fühlt sich eher an wie eine
Jahrhundert-Grippe. Die Läuferfrau ist sich sicher: „Ach was, du
übertreibst wieder. Magenschmerzen werden bei dir zum offenen Geschwür
und ein Pigmentfleck am Hals zum gefährlichen Hautkrebs.“ Ich leide
still. Den Fürth-Marathon werde ich sausen lassen. Das hat keinen Sinn.
Ich brauche Ruhe und will mich einfach auskurieren. Hochsensibel,
pflegeintensiv und sehr anfällig – Läufer leiden schlimm. Manche Viren
scheinen bei der männlichen Spezies ganz besonders hart zuzuschlagen.
Dabei ist es allgemein bekannt, dass Frauen Schmerzen länger ertragen
können als Männer. Läufer möchten, dass ihr Schmerz vom Umfeld
wahrgenommen wird. Fürsorge und Anteilnahme meiner Liebsten könnten den
körperlichen Schmerz erheblich lindern. Doch auch der seelische Schmerz
ist nicht zu verachten. Der Metropolmarathon fällt für den Querläufer
dieses Jahr aus. Das steht eindeutig fest.
Jetzt fängt es auch noch am Hals zu jucken an. Die Läuferfrau grinst
sich eins: „Mal zwickt's im Rücken, mal kratzt der Hals. Oder es plagt
eine alte Sportverletzung. Läufer über 40 sind wehleidig - das ist
sicher.“ Das Kratzen im Hals und der Juckreiz werden immer schlimmer.
Ich schaue in den Spiegel und überlege kurz, ob der weiße Fleck auf
meiner Haut nun einer schwerwiegenden Pigmentstörung zuzuschreiben ist
und der Ausschlag auf meiner Zunge vielleicht doch etwas mit Lupus
erythematodes zu tun hat. Also schonen und ab ins Bett!
Run happy and smile!
Euer Querläufer
Jochen Brosig
Röttenbach, den 05. Juni 2011
|