
In der Läuferfamilie
bricht der Wettkampfvirus aus

Der Querläufer und sein Team.
Wenn ich von einem Wettkampf
heimkomme, fragt meine Frau: „Und, wie war´s?“ Sie erwartet dann eine
Beschreibung, wie ich die Grenzen in meinem Innern überwunden habe, wie
der Moment war, als der Kopf sich frei machte, ob die Anfeuerungsrufe
der Zuschauer heute geholfen haben oder wie mein Gefühl war durchs Ziel
zu laufen. Der Querläufer berichtet dann von persönlichen Bestzeiten,
Altersklassensiegen oder das ein oder andere Mal auch vom Gesamtsieg.
Die Läuferfrau war bisher selten zu einem Wettkampf zu bewegen. Einmal
war der Start zu früh am Morgen, dann wieder zu spät am Nachmittag. Das
andere Mal war es zu heiß, im Winter zu kalt und beim letzten Mal
versaute uns ein einwöchiger Dauerregen den gemeinsamen Start. Auch ist
für meine Frau der Wellnessbereich im Ziel ein ausschlaggebender Punkt
für eine Anmeldung zu einem Volkslauf. Für ausgiebige Fönorgien fehlt es
oft an den Örtlichkeiten. „Was, dort gibt es keine Duschen?“ Das
schließt eine Teilnahme schon einmal aus. Doch heute stimmen alle
Parameter. Sie hat sich für den Pegnitztal-Lauf angemeldet. In ihrem Sog
hat sich auch unser Sohn entschlossen zu starten.

Eine starke Truppe vom
Langstreckenteam (10 Teilnehmer) läuft heute in Vorra. Ein schöner
Landschaftslauf über 10 km. Das Wettkampfoutfit meiner Frau ist
professionell. Schnittige Shorts und Shirt (jeweils die Rennvariante mit
Reflektorstreifen), dazu die farblich passenden, leichten Laufschuhe.
Vor dem Start gibt es die ersten Probleme. Die Läuferfrau muss unter
Protest ihr Lieblingslaufshirt mit vier Nadeln durchbohren. Warmlaufen?
Ach was, sie tippelt nur eine halbe Stunde vorher auf der Stelle.
Dehnübungen sind für sie nur Angabe. Das Gerangel in der
Startaufstellung nervt sie. Einer tritt ihr auf den Fuß und von einem
anderen Starter bekommt sie den Ellenbogen in die Hüfte. Nach dem Start
wird sie von hinten geschubst und nach einem Kilometer geht es im Matsch
bergauf. Aus Gründen der Motivation hatte ich die Details der Strecke
verschwiegen. Aber sie gibt alles und kämpft sich durch.
Der Querläufer pflügt mittlerweile mehr Schlecht als Recht durch das
Feld. Die Beine sind schwer. Heute heißt es durchhalten. 100 Meter noch.
Finish. Im Ziel gönne ich mir einen Tee. Es wird ein bisschen
Läuferlatein getratscht. Kaum zehn Minuten sind vergangen. Rochus klopft
mir auf die Schulter. Ich traue meinen Augen nicht. Da läuft meine Frau
winkend ins Ziel. Fünf Minuten später sprintet fröhlich grinsend unser
Filius den Zielkanal entlang. Später, bei der Siegerehrung, zeichnet
sich sehr schnell eines ab. Das komplette Team des FSV, inklusive der
Läuferfrau und unseres Sohnes, ist auf dem Podest gelandet. Einzig der
Querläufer hat geschwächelt. Platz 4 – Blech. Doch es sollte noch
schlimmer kommen. Nach dem Aufhängen der Ergebnisliste stellt sie fest,
dass sie sozusagen aus dem Stand Erste in ihrer Altersklasse ist. Auf
dem Siegerpodest strahlt sie wie eine Schneekönigin: „Hat jemand eine
Klarsichthülle für meine Urkunde? Wann ist der nächste Wettkampf?“
Nacheinander wird das komplette Team auf das Podest gerufen. Mitleid
macht sich für den Querläufer breit: „Du musst einfach beim nächsten Mal
mehr Gas geben.“

Zu Hause angekommen fragt meine Frau:
„Und, wie war´s für dich?“ „Wunderbar!“, antworte ich süffisant. Jonas
kommt aus seinem Zimmer: „Papa, es fehlt noch eine Urkunde.“ Der
Querläufer guckt erstaunt. „ Mama auf Platz 1. Ich bin Dritter. Und du?
You´re a loser, daddy.“ Jawoll, der Querläufer ist ein Loser. Den
nächsten Wettkampf mache ich wieder alleine. Da bin ich mir sicher!
Run happy and smile!
Euer Querläufer
Jochen Brosig
Röttenbach, den 19. Juni 2011
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