Ke Nako - Der WM-Sommer 2010

Querläufer Jochen und die WM 2010
Die Sonnenstrahlen kämpfen sich
durch die Wolken. Es fängt an zu grünen und zu blühen. Die Röcke werden
kürzer und die ganz Mutigen wagen sich im T-Shirt nach draußen. Ich treffe
wieder die Schönwetterjogger auf meiner Laufrunde. Alle die von Winter,
Schnee, Kälte und Nässe nichts wissen wollen. Zusammen laufen wir dem Sommer
entgegen. Ke Nako – es ist Zeit, wie der Südafrikaner sagt. Ein besonderer
Sommer bricht an – der WM Sommer 2010. Sommerzeit ist dieses Jahr vom 11.
Juni bis 11. Juli. Das Motto: Celebrate African´s Humanity. Die Mission: Den
4. Stern für Deutschland holen. Allemagne, mzansi! Deutschland vor! Und wir
auf der La Ola der Begeisterung und Glückseligkeit. Yebo – JA, das wäre
schön.
Doch schon nach wenigen Sonnentagen verabschieden sich die Schönwetterjogger
von den Laufpisten. Das ist die Zeit, in der in Deutschland der Event-Virus
um sich greift. Jedes Dorf sucht das Besondere, das Einzigartige und
stilisiert es zum Festival hoch: Mühlentage, Spargelwochen, Karpfenfest und
Gartenzauber. Die örtliche Feuerwehr oder der Backofenverein laden zum
Grillfest. Im Gewerbegebiet wechseln sich die ansässigen Firmen mit den
Jubiläen ab. 25-jähriges Firmenjubiläum, unser Chef wird 50 oder
Umbau-der-Verkaufsräume. Dorf- und Altstadfeste zu Hauf. Der Landkreislauf
schlängelt sich durch ERH. Doch dieses Jahr nimmt es kein Ende. Im Mai den
Grand Prix gewonnen. Lena hat´s geschafft. Wir sind Europameister im Singen.
Jetzt noch die WM oben drauf. Jabulani sei Dank - alles ist in Feierlaune.
Aus jedem Fenster hängt schwarz-rot-gold. Jedes zweite Auto hat eine
Deutschlandfahne auf dem Dach. Vettel siegt ohne Fahne in Valencia und geht
auf WM-Kurs. England haben wir souverän geschlagen. Seit heute sind wir im
Viertelfinale. ZAKUMI drückt uns auf dem Weg ins Halbfinale die Daumen.
Nur noch die ganz Harten sind unterwegs, wie im tiefsten Winter bei Minus 15
Grad. Die Laufpisten sind wieder leer. Alle Gelegenheitsläufer verschwunden.
Gibt es doch Ausreden genug, um nicht zu laufen: Südafrika gegen Mexiko,
Portugal gegen Brasilien oder Deutschland gegen Ghana. Zu Hause auf der
Couch, in der Kneipe oder beim „Public Viewing“ treffen sich die
Fußballfans. Alle anderen sind bei einer der vielen Festivitäten. Während
ich allein durch den Wald laufe und die Natur genieße, ist bestimmt irgendwo
ein Mittelalterfest. Dort wird dann Flachs gehaspelt und Dinkelbrot
verscherbelt. Daneben ein Ausschank vom naturtrübem Klosterbier oder
Zwetschgenbrand Marke Eigenbau. Dazu spielt eine Laiengruppe auf der
Schalmei. Aber um halb vier ist Schluss. Sonst schaffen sie es nicht mehr
zum Anpfiff von Uruguay gegen Chile. Das WM-Fieber hat Deutschland
spätestens mit Stefan Raab´s Autoball-WM erreicht. Weder die Bundeskanzlerin
noch der Gesundheitsminister denken über ein eingreifen nach. Bei dieser
Pandemie hilft auch kein Impfstoff. Seit dem Eröffnungsspiel in Soccer City
ist ganz Deutschland infiziert. Ich sehne mich nach Ruhe im Wald. Kein
falscher Pfiff des Schiedsrichters: Elfmeter? – nur das Vogelgezwitscher.
Kein falscher Wink des Linienrichters mit der Fahne: Abseits? – nur das
Rascheln des Sommerlaubs. Keine Schreie der wütenden Fans: Foul? – nur das
Zirpen der Grillen. Kein Tröten der Vuvuzelas – nur das Summen der Bienen.
Kein Extrem-Couch-Sitting vor der Glotze – nur die Bewegung an der frischen
Luft.
Auf dem Heimweg bläst mir eine leichte Sommerbrise entgegen. Die typische
Mischung aus Holzkohle und Spiritus. Die Rauchzeichen der Grillindianer. All
überall Geselchtes und Geschmortes. Der eine wird gegrillt, der andere
grillt sich selber. Ich dachte der Sommer ist die Zeit des schönen und
kultivierten Genießens. Aber Früchte und Salate warten vergeblich an den
Marktständen zum Verzehr. „LADUMA“ – der Torschrei der Bafana schallt aus
den Gärten. Vermischt mit dem Trompeten der Vuvuzela. Ke Nako, wie wir
fränkischen Aboridschinells neuerdings sagen. „Also ehrlich“, sagt
Klaus-Karl Kraus. Jogi Löw hat ihn erhört: Stefan Kießling hatte seinen
ersten Einsatz. Und der „Echterdoldi“ Erich Weichlein vertreibt mit der
Vuvuzela die Maulwürfe aus seinem Garten. Alle sind im WM-Fieber. Ke Nako –
es ist Zeit den Heimweg anzutreten. Ich muss noch den Grill anschüren, ein
paar Weizen kaltstellen, sowie Nüsse und Salzstangen bereitlegen. Die Chips
darf ich auf keinen Fall vergessen. Mein Lieblingssessel wartet auf mich.
Die Vuvuzela habe ich griffbereit. Die Deutschlandfahne hängt über meiner
Tür. Um 20.30 Uhr beginnt das Abendspiel.
Ke Nako –
Argentinien wir kommen!
Run happy and smile!
Euer Querläufer
Jochen Brosig
Röttenbach, den 27. Juni 2010
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